vorlauf: Kein Frieden mit der Geschichte
„Das letzte Versteck“
(Do., 22.10 Uhr, Arte)
„Der Geruch des Sommers lag in der Luft. Aber ich hatte so ein seltsames Gefühl, eine dunkle Vorahnung.“ Ein sonniger Morgen, 1942, in einer Villa, etwas abseits eines polnischen Dorfes gelegen. Die Töchter eines jüdischen Arztes schmieden Zukunftspläne. Die blonde Eva (Johanna Wokalek) will studieren, die braunhaarige Irene (Agnieszka Piwowarska) beim Vater bleiben. Zwischen den Schwestern gibt es Eifersüchteleien.
Doch all dies wird kurze Zeit später keine Rolle mehr spielen. Wie brutal die Nazis in den Alltag der polnischen Bevölkerung eingefallen sind, verdeutlicht Pierre Koralniks Film „Das letzte Versteck“ nach dem von amnesty international mit dem „Prix Litterature“ ausgezeichneten Roman „Die Reise“ von Ida Fink eindrücklich. Drastische Szenen zeigen, wie die Dorfbevölkerung gewaltsam aus ihren Häusern und durch die Straßen getrieben wird.
Nach diesem Vorfall gibt sich der Vater der Illusion hin, seine Töchter könnten mit falschen Papieren in einen Zug nach Deutschland steigen und sich dort verstecken. Doch Eva und Irene geraten zunächst in die Gewalt zweier schmutziger Denunzianten, die sie in einen Transport slawischer Zwangsarbeiterinnen auf dem Weg in eine Fabrik im Ruhrgebiet stecken. Deren Chef Schmidt (Michael Brandner) beutet die Frauen skrupellos aus, schläft mit ihnen und droht mit Auslieferung an die Gestapo.
Der Film befriedet nicht, sondern zeigt alle Facetten skrupelloser Gewaltherrschaft, die unter einem faschistischen Regime entstehen. Koralniks hintergründiges Psychodrama stellt schonungslos dar, was auch ehemalige KZ-Häftlinge, wie etwa der Schriftsteller Jean Améry, geschildert haben: Menschen wandeln sich unter solchen Verhältnissen – mitunter bis zum Verlust jeglicher Selbstachtung. Auch mit der Solidarität untereinander ist es im Film nicht weit her: Polnische Zwangsarbeiterinnen, die mit Eva und Irene gemeinsam unter den grausamen Bedingungen leiden, trösten sich, besser als Jüdinnen zu sein. Die jüdischen Schwestern, Eva und Irene, werden auseinander dividiert. Die blonde Eva hat wegen ihres „arischen“ Aussehens bessere Chancen. GITTA DÜPERTHAL
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