vorlauf: Der Tod für dreizehn Euro
„Polnische Maulwürfe“ (Arte, 20.15 Uhr)
Jan ist Ende Oktober bei der Arbeit gestorben. Verschüttet in einem Erdloch. Seine Familie wird keine Rente erhalten. Denn die Arbeit, die er verrichtete, um das Überleben seiner Familie zu sichern, ist illegal. Die Kohlegruben im polnischen Walbrzych wurden vor zwei Jahren offiziell dichtgemacht. Doch von 12 Euro Sozialhilfe monatlich kann kein Mensch leben. Deshalb graben sich Männer und Frauen aus der Gegend auf der Suche nach Steinkohle wie die Maulwürfe tief in die Erde hinein. Das Geschäft kontrolliert die Mafia.
Der freie Journalist Martin Kessler und sein Kamerateam sind mit Danka, Woytek und den anderen illegalisierten polnischen Arbeitern in die so genannten Armenlöcher gekrochen. Sie begleiten sie bei dem Job, der 13 Euro täglich bringt. Vertretern der Behörden und dem Bürgermeister stellt Kessler unbequeme Fragen. Die Obrigkeit möchte gern ein Auge zudrücken, denn sie weiß, dass vielen Polen gar nichts anderes übrig bleibt, als auf diese Weise ihre Haut zu Markte zu tragen.
Im Vorfeld der Osterweiterung der EU wirft Kessler einen entlarvenden Blick auf die polnische Schattenwirtschaft. Vor allem aber dokumentiert er, was große Globalisierungspolitik für kleine Leute bedeutet. Denn es ist keineswegs so, dass die niederschlesische Stadt kein Geld hat. Sechs Millionen Euro wurden in die Erschließung eines Gewerbegebietes gepumpt. Während sich die meisten Menschen unwürdigen Arbeitsbedingungen unterwerfen, siedeln sich zögerlich internationale Konzerne an.
60 Prozent der Fläche liegen allerdings noch brach. „Die Millionen, um weitere Konzerne hierher zu locken, gehen wohl auf Kosten der Sozialhilfe“, analysiert der Autor.
So bringt die fesselnde Reportage die Geschichte der polnischen illegalisierten Arbeiter nahe, die alle bessere Zeiten kannten. Woyteks Vater erhielt im ehemals sozialistischen System eine Ehrenurkunde als Bergarbeiter, Danka war als Versicherungsangestellte beschäftigt. Der Film zeigt, wie internationale Konzerne bereits vor der EU-Erweiterung die Sahne der Milch abschöpfen. Und wie polnische Menschen ums Überleben kämpfen. GITTA DÜPERTHAL
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