vorlauf: Erfolg ist eine grüne E-Klasse
„Ich werde reich und glücklich“ (ARD, 23 Uhr)
„Ich bin begeistert. Ich bin begeistert. Ich bin begeistert“, mantrat die blonde Frau. „Ich bin wunderschön. Ich bin wunderschön. Ich bin wunderschön“, lächelt ein blonder Mann sich im Spiegel an. „Ich bin die Beste. Ich bin die Beste. Ich bin die Beste“, erklärt eine Langhaarige. Die Stimmen versuppen zu einer Selbstmotivationscollage, bis nur noch „IchIchIch“ zu hören ist. Dann: Schnitt auf eine Herde Schafe.
Dieser Schlag mit dem Zaunpfahl wäre eigentlich nicht nötig gewesen, um die Arbeitsweise des mittlerweile Pleite gegangenen Motivationstrainers Jürgen Höller einzuordnen. Aber Filmemacherin Doris Metz verzichtet glücklicherweise in ihrer sensiblen Dokumentation meist darauf, lässt lieber ihre fünf ProtagonistInnen (durch Höller, je nach Einschätzung, geschädigte oder beglückte Personen) reden: Die „Nail-Art-Künstlerin“ aus Sachsen, die als Ziel angibt, am „4. 8. 2002 eine grüne E-Klasse fahren“ zu wollen. Den Schweizer Gastronom, der eine Finca auf Menorca haben wird. Haben wird, definitiv, nicht hoffentlich. Hoffen gibt es in Höllers Welt nicht, nur Handeln. Einer der immer wieder eingeblendeten (und den tausenden AnhängerInnen immer wieder eingebläuten) Sprüche lautet: „Erfolgreiche Menschen handeln. Erfolglose Menschen reden immer nur darüber.“
Das Phänomen der Motivationstrainer nähert sich einer Art Religiosität an, der man nicht argumentativ begegnen kann, denn der davon überzeugte Mensch will glauben. Die ProtagonistInnen in Metz’ Film, die immer wieder ihre recht offenen O-Töne in den ohne Off-Erklärung auskommenden Film streuen, glauben größtenteils, sie wären ohne den geschniegelten Lächler Höller nicht da, wo sie sind – ein Glaube, dem nicht beizukommen ist.
Die Hintergründe für den Erfolg Höllers, der teilweise sogar länger anhielt, als er überhaupt praktizierte, noch als der Erfolgsmensch zum Erfolglosen geworden war, kann auch Metz in anderthalb Stunden nur anreißen: gesellschaftliche Gründe, Erfolgsdruck, Versagensängste. Aber die Beobachtung dieses so interessanten wie abstoßenden Mechanismus ist ihr gut gelungen. JENNI ZYLKA
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