piwik no script img

vorlauf bühne Christiane Kühl betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Wer sehr häufig ins Theater muss, ist bisweilen recht glücklich, wenn es dort gar kein Theater gibt. Das geht nicht nur übersättigten Kritikern so, sondern anscheinend auch den besten Schauspielern – weshalb sich Ingrid Caven entschlossen hat, heute Abend Texte von Wilde bis Joyce im Berliner Ensemble zu singen. Kollege Otto Sander tut gleiches zur selben Zeit im Hebbel Theater, nur dass er sich in seinem Programm „Klagendes Leid – Schaurige Lust“ an die Balladen der Romatik hält. Josef Bierbichler hingegen besucht die Hauptstadt am Sonntag, um aus seinem ersten Roman zu lesen: „Verfluchtes Fleisch“ heißt der und erzählt vom Philosophen im bayerischen Bauern, der ein allergrößtartiger Schauspieler ist. Weshalb seine Buchvorstellung im BE auch eine One-Man-Show wird. Mit Hang-over zu einem Bierbichler-Abend zu kommen, ist übrigens weder verwerflich noch lässt es sich in diesem Fall vermeiden, da Freitagnacht 5 Jahre Sophiensaele – das Fest gefeiert wird. 1986 eröffnete die Spielstätte mit der Choreografie „Allee der Kosmonauten“ von Sasha Waltz, die mit Jochen Sandig das Theater im Festsaal des einstigen Handwerkervereinshauses gegründet hatte und zu einer der besten deutschen Adressen für freie Tanzproduktionen machte. Heute, etwa 200 Tanz- und Theaterpremieren später, wird die gut vernetzte Produktionsstätte von Amelie Deuflhard bespielt, die zur Geburtstagsfeier Künstler und andere Gäste ins ganze schöne Haus lädt. Vom Gegenteil, nämlich enttäuschten Hoffnungen und groß angelegtem künstlerischen Scheitern in Berlin, erzählt Das kunstseidene Mädchen. Irmgard Keuns Roman von 1931 hat Barbara Frey am Deutschen Schauspielhaus Hamburg mit Inka Friedrich in der Titelrolle inszeniert – so erfolgreich, dass der vier Jahre alte Solabend ab heute ins Repertoire des Deutschen Theaters übernommen wird. Ach ja, Berlin: Am Ende wird alles gut.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen