vor ort : MICHAEL KLARMANN über eine klirrend kalte Werksblockade in Aachen
Am Anfang war nicht nur die Stimmung eisig: Bei klirrender Kälte begannen rund 150 Beschäftigte am Montagmorgen ihre Blockade an den Werkstoren der LG.Philips Displays. „Es kann nichts mehr angeliefert und nicht mehr abgeholt werden“, stellt der Betriebsratsvorsitzende, Martin Droigk, zufrieden fest. Inzwischen spenden Holzfeuer Wärme und sogar Oberbürgermeister Jürgen Linden hat seine Solidarität erklärt. Mit der Blockade wollen die Streikenden die Konzernmutter zur Einhaltung des bis 2007 festgeschriebenen Sozialplans zwingen.
“Mutter Philips, Du Diebin!“ steht auf einem Pappschild. Denn die Unternehmensleitung der Glasfabrik hat letzten Donnerstag Insolvenz angemeldet. Die Produktion wurde gestoppt, die Mitarbeiter nach Hause geschickt. „Wir fühlen uns betrogen,“ sagt Droigk. Denn die Belegschaft hat zur Standortsicherung seit Jahren auf Lohnerhöhungen, kürzere Arbeitszeiten und die Hälfte des Weihnachtsgeldes verzichtet. Im Gegenzug war für den Fall einer Werksschließung ein Sozialplan für die 400 Glaswerker vereinbart worden. Die Insolvenz macht das zunichte. Der Düsseldorfer Insolvenzverwalter Frank Kebekus geht „davon aus, dass man hier relativ kurzfristig in ein Liquidationsverfahren eintreten muss“.
Rückblick: Dezember 2003. Während sich vor den Toren rund 800 Beschäftigte des Philips-Bildröhrenwerkes zum Protestzug formierten, hing hinter ihnen die Firmenwerbung: „Bildröhren für die ganze Welt aus Aachen. Look at the future.“ Die Zukunft aber sah duster aus, denn in einem der drei Philipswerke des Industrieparks würden Mitte 2004 die Lichter ausgehen. Rund 1.000 Beschäftigten sahen der Arbeitslosigkeit entgegen. Die Angst schon damals: Wenn Bildröhren-Rohlinge in Aachen nicht mehr montiert werden, warum soll dann die benachbarte Glasfabrik solche noch pressen? „Mutter“ Philips aber machte gute Miene: Die Rohlinge wurden zur Weiterverarbeitung per LKW an Philips-Firmen ins Ausland geliefert. Doch auch diesen droht längst das Aus.
Philips sitzt seit 1934 in Aachen, produzierte zuerst Radios. In den 50ern begann die Bildröhren-, später auch die Glühlampenproduktion auf dem Firmengelände. Doch aufgrund des Preisverfalls und mangels Nachfrage – inzwischen beherrschten die Flachbildschirme den Markt – erfolgte Mitte 2004 besagte erste Werksschließung. Nur das zu Philips Deutschland gehörende benachbarte Glühlampenwerk mit seinen 1.400 Beschäftigten arbeitet bis heute erfolgreich.
Droigk und seine Kollegen spielen daher über Bande. Zwar lassen sie die Beschäftigten des Glühlampenwerks an die Arbeitsplätze. Die LKW dagegen durften bis gestern Mittag über die gemeinsame Zufahrt weder an- noch ausliefern. Da das Unternehmen inzwischen jedoch die Gründung einer Auffanggesellschaft signalisierte, lenkten die Blockierer ein. Bis heute Nachmittag, sagt Droigk, lasse man LKW zur „Notversorgung“ des Lampenwerks passieren. Ansonsten werde man die Blockade wieder „hoch fahren“. Bis Philips einlenkt.