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Archiv-Artikel

vor ort MICHAEL KLARMANN über begeisterte Urnenkäufer in einer Aachener Kirche

Edith Bircken sitzt in ihrem Büro in einem Haus nahe Aachens zweitgrößter Kirche – größer ist nur noch der Dom. Neben ihr stehen Modelle der Grabeskirche und der Stelen, die bald der Asche Verstorbener als letzte Ruhestätte dienen. Daneben steht ein 27,5 Zentimeter großer Urnenkubus, der Grabstein. Die 46-Jährige schwärmt lebhaft von der Zukunft von St. Josef als Grabeskirche: Die durch die Fenster einfallenden Sonnenstrahlen würden zukünftige Beerdigungen in ein besonderes Licht tauchen, das erfreue die „Kunden.“

Mehr als 200 davon, sagt die Geschäftsführerin der Kirche, hätten sich schon „eingekauft“. Wieder so ein Wort, aber Edith Bircken stellt die Gegenfrage: Wie solle man denn Menschen nennen, die sich über ihre Bestattung informierten? „Solange sie nicht verstorben sind, nenne ich sie künftige Kunden,“ sagt die 46-Jährige. Bislang hätten sich unterschiedliche Menschen nach Grabstätten in der neugotischen, seit 1894 bestehenden Kirche erkundigt. Menschen, die im Ostviertel lebten oder solche, die dort früher gelebt haben.

St. Josef liegt zwischen zwei sich treffenden Hauptverkehrsadern am Rande der Aachener Innenstadt. Daneben liegt der Ostfriedhof. Gegenüber wird neben dem historischen Gebäude des Amts- und Landgerichts das modernste Justizzentrum Deutschlands hochgezogen. Früher lebten in dem Arbeiterviertel mit mehreren Kirchen 20.000 Katholiken. Heute sind es noch 6.000. Dazu beigetragen hat auch die Internationalisierung des Viertels. Rund einen Kilometer von St. Josef entfernt ist eine provisorische Moschee längst zu klein für die betenden Muslime geworden.

Viele Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sorgen sich um die Zukunft ihrer verwaisten Gotteshäuser. In Köln-Nippes wurde ein Gotteshaus mangels Kirchgänger zum Konzertsaal umfunktioniert – inklusive Biertheke. Im niederländischen Maastricht entstand in einer Kirche ein Hotel. Man habe, sagt Edith Bircken, St. Josef aber als Kirche erhalten wollen. Und dann war da die Idee der Grabeskirche und der Erprobung einer „neuen Bestattungskultur“. Denn die Geschäftsführerin weiß: So schön die Modelle auch sind – ihre „künftigen Kunden“ lassen sich bei Gebühren von 2.000 bis 5.000 Euro für das zwanzigjährige Nutzungsrecht vorerst noch auf das Wagnis des Neuen ein.

Dieses Neue erklärt die 46-Jährige anhand der Modelle und Pläne oder inmitten der leeren Kirche. Während ihr Mittelschiff frei bleiben soll, werden in die Seitenschiffe und Arkaden unter der alten Orgelempore bis zu vier Meter hohe, schlanke Stelen für die Urnengräber eingebaut. In Nischen sollen Trauernde an Namenstafeln Blumen ablegen und Kerzen anzünden können. Im noch bestehen bleibenden Altarbereich könnten Trauermessen möglich sein. Der Fußboden soll mit Splitt und Bodenplatten ausgelegt und einem „Friedhof nachempfunden“ werden, sagt Edith Bircken. In der Mitte soll ein schmaler Wasserlauf fließen, über allem ein schiffsähnliches Gebilde schweben – zugleich Lichtquelle und Symbol für „die Überfahrt von Leben zu Tod“.