vor ort : SUSANNE ROESSLER über die gemeingefährlichen Pappeln von der Kölschen Riviera
Die „Kölsche Riviera“ südlich des ehemaligen Fischerdorfs Rodenkirchen am Rhein ist bei Einheimischen wie Auswärtigen sehr beliebt. An heißen Großstadtsommertagen pilgern ganze Heerscharen mit Kind und Kegel zu den Sandbuchtenstränden und Auenwiesen – und machen sich‘s im Schatten der knorrigen alten Bäume gemütlich. Doch genau die werden gerade gefällt.
Von den schönsten, etwa einem Dutzend starker alter Pappeln direkt am Rhein, steht nur noch der Stumpf. Auch das Gestrüpp am Ufer – Refugium für Otter, Fischreiher und Kormorane – ist weg. Dafür können sich die Villenbesitzer an der Uferpromenade jetzt über einen freien Blick auf den Rhein freuen. Andere Anwohner und Spaziergänger waren bei der ersten Baumfällaktion dagegen so aufgebracht, dass sie Ende Oktober einen Ortstermin mit einem Vertreter des Kölner Grünflächenamtes erwirkten. Das Argument, die Pappeln seien zu alt und einige krank, überzeugte die Baumschützer nicht. „Selbst der Bundesgerichtshof lässt pauschal das Alter ganzer Baumarten als Rodungsgrund nicht gelten“, sagt Christoph Loesch, Gründer der Initiative „Kölsche Baumschützer“. Der Mitarbeiter des Grünflächenamtes sicherte ihnen schließlich zu, die Rodungsaktion so lange zu stoppen, bis ein Gutachten über den Zustand der Bäume vorliege.
Um so empörter waren die etwa 20 Teilnehmer des Ortstermins, als am nächsten Morgen die Fällungen unvermindert weiter gingen. „Für Protestanrufe war an diesem Tag niemand beim Grünflächenamt erreichbar“, berichtet Thorsten Krug, ebenfalls Mitglied der Initiative, „nicht mal für den Richter, durch den wir eine einstweilige Verfügung erwirken wollten.“ – „Die Bäume kommen weg. Auch bei einem Gegengutachten der Bürger“, antwortete Werner Becker, städtischer Gartenbauingenieur. Und eine Zusage habe es nie gegeben, sagte Michael Eppenich, Leiter des Amtes für Landschaftspflege und Grünflächen, letzte Woche im Kölner Stadtanzeiger. „So kann die Stadt nicht mit ihren Bürgern umgehen“, meint Christoph Loesch.
Aber die Stadt verweist auf ihre „Verkehrssicherheitspflicht“. Immer öfter werde sie für Schäden haftbar gemacht. Ein Totschlagargument für fast alle Bäume, hat auch der BGH erkannt und stellt klar, „gewisse Gefahren aus der Natur“ seien „als unvermeidbar hinzunehmen“. Gefordert werden allerdings Kontrollen. Marion Caspers und Helmut Müller, seit 25 Jahren Anwohner, fragen sich daher, ob es in Zeiten leerer Kassen für die Stadt billiger sei, einen Baum für 2000 bis 3000 Euro zu fällen anstatt ihn permanent zu pflegen.
Derweil gehen die Rodungsarbeiten weiter. Am Dienstag übergab die Bürgerinitiative dem Leiter des Grünflächenamtes und der Bezirksvorsteherin eine Petition mit 300 Unterschriften. Doch „langfristig“ sollen alle Pappeln weg, beharrt die Stadt. Daher hat sich die Initiative mit anderen Kölner Baumfreunden zusammengetan. Denn dem städtischen Grünzeug geht es überall mit demselben Argument an die Rinde: Es bestehe akute „Verkehrssicherungspflicht“.