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jede soß ein franzos

von WIGLAF DROSTE

Wer eine Lektion in nationalem Wahn braucht, wird auch in Frankreich gut bedient. Andere Sprachen als das eigene „heure“-und-„beurre“-Gebröre grundsätzlich ablehnen, mit Uniform und Fahne den Lärrie machen und sich deshalb chauvinistisch für den Vertreter der größten Kulturnation auf Erden halten, das kann er gut, der Franzose.

Mein erster Franzmann war gar keiner. Er hieß Peter Kraiczek und war Französischlehrer. Von Klasse sieben bis Klasse elf musste ich bei ihm Französisch lernen, in Heepen, auf dem Gymnasium. Heepen ist ein Vorort von Bielefeld und grenzt an andere Bielefelder Vororte wie Altenhagen oder Oldentrup. Die Schule war keine Erziehung vor Verdun, nur eine Erziehung vor Oldentrup. Uns war das hart genug.

Kraiczek hatte ein Verhältnis mit einer schnatzigen Abiturientin gehabt und war für zwei Jahre an eine andere Schule versetzt worden, bevor er nach Heepen zurückkehrte. Zumindest bei den Jungs hatte er verspielt. Er war Mitglied der CDU, und außer Französisch unterrichtete er Sport, bevorzugt Tennis. Gern trug er das Hemd aufgeknöpft und die Ärmel aufgerollt, damit sein Bizeps gut zu sehen war. Was er verströmte, mag er für sportiven Charme und Nonchalance gehalten haben; für uns war es die reine Anzüglichkeit. Besonders unangenehm wurde es, wenn er auf locker und unkonventionell machte. Dann brachte er einen Plattenspieler mit ins Klassenzimmer und spielte französische Chansons ab, „L’amour, l’amour, la maladie d’amour“ oder „La ballade des gens heureux“. So legte Kraiczek den Grundstein für eine tiefe Abneigung gegen alles, was mit Tennis, CDU und französischen Chansons zu tun hat. Heute bin ich ihm dafür dankbar. Damals war ich noch nicht so weit.

Kraiczek, das erfuhren wir bald und oft, hatte in Dijon studiert; vielleicht kam daher seine senfige Ausstrahlung? Lustig wurde sein Unterricht, wenn er Heike Hampeter die Gesetze der französischen Aussprache nahebringen wollte. Diese Mitschülerin war durch und durch ostwestfälisch; Nasale gaben ihr nichts. Der Übungssatz „Le verre est plein de vin fin“ endete bei ihr provençalisch-chinesisch: „pleng de weng feng“. Kraiczek rang die Hände gen Himmel, tröstete sich mit einem sumpfigen Blick auf Heike Hampeters gut entwickelte Brust und versuchte es mit etwas vermeintlich Leichterem, dem „puis“. Heike Hampeter schenkte ihm nichts: „Pui“, sagte sie. „Pui.“ Kraiczek wedelte verneinend mit den Händen. „Non non non“, widersprach er, drückte links- wie rechtshändig die Kuppen von Zeigefinger und Daumen zusammen, holte mit den Unterarmen Schwung bis auf Kinnhöhe und quetschte das Wort durch die Lippen: „Pwwwhii! Pwwhhüiii!“ Heike Hampeter ließ sich davon nicht beeindrucken. „Pui“, mumpfte es aus ihr heraus. Und abermals, für alle Zeit: „Pui“. Peter Kraiczeks tausendfach auf uns ausgegossene Behauptung, Französisch sei „die schönste Sprache der Welt“, fand in Heike Hampeter eine angemessene Grabstätte. Ob er ein guter Französischlehrer war, weiß ich nicht. Auf alle Fälle war er ein sehr guter Franzose.

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