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hui hui! eine verbeugung vor dem gespielten orgasmus

von WIGLAF DROSTE

Der simulierte Orgasmus hat einen schweren Stand. Er ist übel beleumundet, keiner will ihn haben. Offiziell heißt er vorgetäuschter Orgasmus – das klingt nach einem Delikt, nach einem betrügerischen Anschlag auf das männliche Selbstwertgefühl. Und das sagt: Die Frau hat den Orgasmus nicht zu simulieren, sie hat ihn zu haben! Punktum!

Zauberhaft und herzerweichend ist es, mit Mädchen die Köpfe zusammenzustecken, herumzukichern und über die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu sprechen. Hast du schon einmal einen Orgasmus geschauspielert? – Einmal? Du bist ja drollig! Na klar. – Und warum? – Naja, weil er sich so Mühe gegeben hat. Er war so rührend bemüht, so süß, und außerdem hat es mir auch gefallen. Ich wollte ihm nicht das Gefühl geben, dass es mir keinen Spaß macht. Das hätte auch nicht gestimmt, nur war es bei mir eben nicht so wie bei ihm. Außerdem fand ich es lustig, mich da so reinzusteigern, zu seufzen und zu stöhnen, „mmmh mmmh“ zu machen und „oooh oooh“. Dann hat es mich auch erregt, weil es ihn erregt hat. Und war auch deswegen sehr amüsant.

Manche Mädchen sehen die Sache etwas taffer an: Natürlich spiele ich denen was vor. Sonst hört das Gestochere doch nie auf. Die denken, dass sie uns einen Orgasmus schenken, die Trottel. Dass wir kraft ihrer Gnade zum Mond fliegen, dass sie und nur sie uns glücklich machen können. Man kann es ihnen nicht ausreden, sie mocheln herum in ihrem Orgasmusgewährwahn, sie ackern und malochen, und wenn man dann schön keucht und den Atem pfeifen lässt und so richtig spitz losschreit, sind sie endlich zufrieden und geben Ruhe. Und sind dann wenigstens einigermaßen erträglich.

Ui ui, das klingt nicht schön, nach Erfahrung, die man gern nicht hätte. Da fragen wir lieber eine Frau, die glücklicher liebte und entsprechend milder plaudert: Bei einer Affäre ist das anders. Die geht man ein, um wilde Sachen zu machen und sich auszutoben. Aber bei mir und dem als Liebhaber auserkorenen Mann fluppte das überhaupt nicht. Ich merkte etwas zu spät, dass ich in Wirklichkeit keine Lust auf ihn hatte. Er fummelte mit der Hand an mir herum, und um die Sache abzukürzen, habe ich ihm dreimal hintereinander unglaubliche Höhepunkte vorgespielt. Er konnte ja nichts dafür, dass ich mich umentschieden hatte, und ich wollte nichts erklären und ihn auch nicht enttäuschen. Meine Heftigkeit hat ihn sehr erschreckt, er hat dann ganz stolz gesagt: Wenn das so ist, dürfen wir uns nie wiedersehen! Er ist dann glücklich weggegangen, und das war doch gut.

Irgendwann kommt die Frage, der auszuweichen dann doch zu feige wäre: Hast du denn auch schon mal bei mir ... so ... ääh ... geflunkert? – Unbeschreiblich ist das Gelächter, eine Woge der Heiterkeit ergießt sich, ein Sturzbach freundlicher Erkenntnis. Was sich über das staatliche Gewaltmonopol nur zähneknirschend und mit Einschränkungen sagen lässt, für die Lüge und für den gespielten Orgasmus gilt es uneingeschränkt: Sie sind eine Errungenschaft und ein Bollwerk der Zivilisation.

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