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Archiv-Artikel

village voice Wozu was denn, und wenn, was dann: Kokons neues Album „Generation“

Die große neue Unentschlossenheit

Andere geben ihrer Generation einen schicken Buchstaben, eine Ziffer oder auch den Namen eines Automobils. Kokon weiten den Vertretungsanspruch ins Universelle aus: Schlicht und einfach „Generation“ haben sie ihr Debutalbum genannt. So macht sich das Trio um Texter, Gitarrist und Sänger Sven Janetzko auf die Suche nach Befindlichkeiten, nach dem unsterblichen Gefühl, mit dem neuen Auto die „Frankfurter Allee“ hinunterzubrausen, nach dem Lachen, das man zusammen mit der Sängerin mit dem schönen Namen „Tequila“ lachen kann, oder nach dem seltsamen Zustand, geliebt zu werden, aber trotzdem verlassen zu sein.

Kokon sind irgendwo im Niemandsland zwischen Hamburg und Berlin zu Hause. Gegründet 2000 in der Hansestadt, lebt man hier wie dort, hat man ein Label in der Hauptstadt und einen Produzenten in Hamburg. Musikalisch allerdings hat eher Hamburg und vornehmlich die dort einmal beheimatete Schule Einfluss genommen: Statt wie das modische Berlin mit Elektronik zu experimentieren, den Brückenschlag zwischen Club und Ohrensessel zu suchen, finden Kokon ihr Heil in der Vergangenheit. Die Verbindung zum mittlerweile gut abgehangenen Diskurspop garantiert auch Produzent Michael Mühlhaus, hauptberuflich Bassist bei Blumfeld, die allerdings selbst schon ein paar entscheidende Schritte weiter gegangen sind.

Die Berliner Gäste, unter ihnen Elektro-Chanteuse Barbara Morgenstern, die hier vorsichtigen Background-Gesang beisteuert, oder Joe Tabu, der Erfinder der Berliner Wohnzimmer-Szene, haben zwar Töne hinterlassen, aber kaum Spuren. Auch dass Janetzko, Schlagzeuger Arne Gosh und Bassist Gerd Bauder zum Teil beider Band Paula und für Morgenstern spielten, kann man zwar wissen, aber kaum hören. Statt poetisch und sinnlich zu sein, weidet sich Janetzko meist endlos am schneidenden Klang und der sperrigen Bedeutung seiner Worte. Währenddessen treibt die aufs Nötigste abgespeckte Trio-Besetzung die Songs durch ebenso karge wie effektive Arrangements und es wird ein vertrackter Rhythmuswechsel nach dem anderen vollkommen unspektakulär hingerotzt.

Während die Gitarren mal funkig Disco-Seligkeit imitieren, mal mit einem verlorenen Blick einen auf Britpop schrammeln, macht sich Janetzko auf den Weg, einerseits möglichst verschlüsselt daherzudichten, andererseits eine größtmögliche Dichte an zitierfähigen Zeilen abzuliefern. „Was wir tun müssen ist, nicht zu tun, was wir tun müssen“, heißt es gleich im Eröffnungsstück. Später dann: „Ich habe meinen Glauben und mein Wille hat schon lange verloren.“ Und in dem Song, der sich so harmlos „Wenn sie mich nicht geliebt hat“ nennt, fragt er schließlich: „Wozu was denn / Und wenn, was dann / Frag ich mich / Bin ich einsam oder nur dauerhaft blöd?“ Es ist eine große Unentschiedenheit, die diese „Generation“ vor allem zu plagen scheint. „Ein Nein, ein Doch oder ein Etwadochnichtsogern / So lebt es sich nun mal“, stellt Janetzko fest, und manche seiner Zeilen bleiben so konkret unkonkret, so aus dem Traum gerissen oder aus dem Zusammenhang, dass ganz unklar bleibt, was uns der Poet nun eigentlich sagen wollte.

THOMAS WINKLER

Kokon: „Generation“ (KOOK / Hobby de Luxe / Indigo), erscheint Anfang September