utah und andere: Bedrohte Arten
Ohrabschneider
Waldi, der sich schon vor längerem von dem wuchernden Parasiten auf seiner Oberlippe befreite, hat Powder, den Hasen immer in seiner Nähe. Der possierliche Hüpfer steht im Rudel auf dem Moderatorentisch herum. Von Copper, dem Kojoten und Coal, dem Bären, ist hingegen nichts zu sehen. Mitarbeiter eines deutschen Fernsehsenders berichten, Powder habe eine kurze Lebenserwartung, weil ihn fahrige Redakteure keineswegs an die Wange kuscheln, sondern, angetrieben vom vielversprechenden Namen, den olympischen Meister Lampe auszuweiden versuchen, um sich sein Innenleben (Pulver) in die Nebenhöhle zu pfeifen.
Kaum besser ergeht es unserem kleinen Freund, dem Copper-Kojoten. In neun von 29 Bezirken des Bundesstaates Utah wird der Kojote verfolgt. Bringt man die Lauscher des Wildhundes an, zahlen die Behörden prompt eine Belohnung von 20 Dollar aus. Ein Budget von 100.000 Dollar ist für Utahs Ohrabschneider anberaumt. Sicher ist er eigentlich nur als Petroglyphe, einst von höhlenhausenden Indianern in Stein gemeißelt. Der Verfolgung entgeht er ebenso im Zeichentrick, obwohl ihm Road Runner auch da übel heimzahlt. Aber im Film überlebt er selbst den Einschlag eines tonnenschweren Felsbrockens.
Die 42.000 Schulkinder, die ob der olympischen Maskottchen um die Wette malten, können die drei Typen für eine Handvoll Dollar kaufen. Für 2.000 ist sogar eine persönliche Tour mit Copper, der Nummer eins unter den drei Kuscheltieren, durch Salt Lake City drin.
Die Sprösslinge der so „stolzen, entschlossenen und dankbaren“ Nation sollten sich ganz schnell alle drei Knuddeltotems aus den Merchandising-Shops besorgen, denn wie schnell sind die in Vergessenheit geraten. Wer erinnert sich schon noch an Magique, den Zwerg (Albertville 1992) oder Hidy und Howdy, die Eisbären (Calgary 1988)? Ganz zu schweigen von den Snowlets, den schrägen Nagano-Eulen. Nur ein Haustier können wir nicht vergessen. Das Maskottchen von Olympia in München. Das war ein Dackel. Und der hieß Waldi. MARKUS VÖLKER
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