us-angriff auf irak: Nach der Wahl ist vor dem Krieg
In nicht einmal zwei Monaten wählt die Republik ein neues Parlament. Krampfhaft konstruieren die Wahlkampfzentralen derweil wirtschaftspolitische Kontroversen und üben sich in inhaltsleeren Image- und Spaßkampagnen. Dabei steht keine 48 Stunden nach Schließung der Wahllokale eine Entscheidung an, die alles andere als spaßig ist: Am 24. und 25. September wird nach derzeitigem Stand bei einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister unter anderem über Art und Umfang der deutschen Unterstützung für die US-Invasion im Irak entschieden. Der neue Golfkrieg wird zu einem dominierenden Thema der deutschen Politik werden – und für Wochen bleiben.
Kommentarvon ERIC CHAUVISTRÉ
Doch bislang ist aus Berlin zu diesem Thema nichts zu hören – und das wird wohl auch so bleiben. Ob aus Furcht vor kontroversen Debatten in den eigenen Reihen oder aus der vordemokratischen Einstellung heraus, dass über Kriege nicht das niedere Fußvolk zu entscheiden habe: In dieser Frage sind sich die Führungsetagen von SPD, Union, Grünen und FDP offenbar einig. Die rot-grüne Regierung und die schwarz-gelbe Opposition unterscheiden sich allein dadurch, dass Schröder und Fischer lästige Nachfragen mit dem Verweis abwiegeln, ein Krieg stehe zurzeit nicht bevor, während Stoiber und Westerwelle das Wort „Irak“ erst gar nicht über die Lippen bringen.
Die Entscheidung über Art und Umfang der eingesetzten Truppen mag in Washington noch nicht gefallen sein, ebenso wie der genaue Zeitpunkt der Invasion. Fest steht: Die USA werden den Irak angreifen. Die Zustimmung zu einer deutschen Beteiligung an dieser Invasion wird nicht dadurch weniger bedeutend, weil es diesmal – anders als im Kosovo- und Afghanistan-Krieg – wohl nicht um die aktive Teilnahme deutscher Soldaten gehen wird. Die Bereitstellung von Material und die Genehmigung zur Nutzung deutscher Stützpunkte für US-Bombardements sind für die Bush-Regierung weitaus wichtiger als der Einsatz einiger Bundeswehreinheiten.
Der demokratische Souverän hat deshalb ein Recht darauf zu erfahren, ob die von ihm gewählten Repräsentanten das Land nach der Wahl in einen Krieg führen wollen. Wenn die politischen Eliten der Republik der Auffassung sind, die elementare Entscheidung über eine deutsche Kriegsteilnahme sei kein Thema für das Wahlvolk, dann ist das die größte denkbare Herabsetzung der parlamentarischen Demokratie.
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