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up overDer Athleten Leiden

Geröstet, gegrillt

Was der heutige Athlet mit Achilles zu tun hat? Der Olympionik der Neuzeit versucht sich wie der antike Held vor Verletzungen zu feien – und scheitert erbärmlich. Achilles wurde von Mutter Thetis mit Ambrosia gesalbt, gar ein wenig im Feuer geröstet, um ihm das Menschliche auszutreiben. Dumm nur, dass Achilles seine Ferse in die Styx tunkte und seinen Traum von der Unverwundbarkeit mit einer verwundbaren Sehne bezahlte.

Heute wird auch mit allerlei Tinkturen gearbeitet, allein der Körper spielt nicht immer mit. Es reißt, bricht, knackt und zerrt im Leib. Da kann noch so viel Oxyglobin oder Steroid in den Adern pulsen. Der Leistungssport fordert seinen Wegezoll.

In Sydney geht’s auch schon los. Erste Medaille im Demowettbewerb „Heptathlon der Gebrechen“ gewann die kanadische Turnerin Emilie Fournier. Nachdem sie kapriziöse Salti in die Luft setzte, schlug sie hart auf dem Boden auf. Ihr rechter Unterschenkel barst unter der Wucht. Aus. Vorbei.

Zu den Tugenden des Olympiakämpfers gehört es freilich, mit maladen Knochen weiterzumachen. Ringer Arawat Sabejew kämpfte vor vier Jahren mit einem Kreuzbandriss im Knie ebenso weiter wie sein Aalener Kollege Thomas Zander mit ausgekugelter Schulter. Aufgeben mussten dagegen der Usbeke Igor Halilow, dem beim Reißen nicht weniger als 182,5 kg auf den Rücken krachten, und die Stute Patina, die eigentlich von Ludger Beerbaum beritten werden wollte. Zerrung des Gleichbeinbands. Schlimm.

Noch, berichtet der deutsche Chef de Mission, Klaus Steinbach, gebe es kaum medizinische Probleme. Aber bald wird bandagiert und gekühlt. Ein paar Eiswürfel hätte auch die Marathonläuferin Gaby Andersen-Schiess 1984 in Los Angeles nötig gehabt. Sie war in der Gluthitze vom Ehrgeiz angetrieben, ihre Körpertemperatur hoch zu pumpen. Mit 41,2 Grad Celsius torkelte sie nach 41,2 km ins Ziel.

Man sieht, was möglich ist. In Sydney erwarten wir tapfere Heptathleten, schmerzverzerrte Gesichter, leidvoll gekrümmte Körper. Wir fragen uns: Was folgt dem nur bronzereifen Beinbruch? Die niedliche Hüftluxation? Ein zarter Muskelabriss? Oder eine nette Achillessehnenruptur exakt bei Zielankunft? Goldverdächtig. MARKUS VÖLKER

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