unterm strich :
Der Betrachter ist schuld. Weil Museen in Zeiten knapper werdender Mittel auf Massenwirkung angewiesen sind, müssen sie in Bezug auf die Qualität der Kunstwerke Kompromisse machen. Manchmal werden Arbeiten ausgestellt, die kaum Relevanz haben, aber dem Publikum gefallen. So ist es dem Kurator Francesco Bonami ergangen, als er in Chicago ein scheußliches Kunstwerk zeigen musste, „nur weil Kinder es besonders gerne mochten“.
Ja, es ist ein Kreuz mit der Kunst, wenn die Nachfrage das Angebot diktiert. Diese Erkenntnis hat Bonami als Leiter der diesjährigen Biennale in Venedig zum Motto der am 15. Juni beginnenden Ausstellung gemacht und auf der einleitenden Pressekonferenz in Berlin erklärt, was es mit dem Titel „Die Diktatur des Betrachters“ auf sich hat: Keinesfalls soll er die Beliebigkeit des Marktes abbilden, sondern vielmehr zeigen, dass in einer zersplitterten und zugleich globalen Welt nicht eine einzige Sichtweise dominieren kann.
Deshalb verzichtet Bonami auf ein durchgehendes kuratorisches Konzept zur Biennale. Stattdessen hat ein knappes Dutzend Ko-Kuratoren im Team Themen erarbeitet. Das Programm umfasst an die 380 KünstlerInnen und reicht von einem Überblick zu zeitgenössischer afrikanischer Kunst (unter der Leitung von Gilane Tawadros) und Catherine Davids „Contemporary Arab Presentation“ bis zur systemtheoretischen Aufarbeitung künstlerischer Zeichenmodelle durch den slowenischen Theoretiker Igor Zabel.
Offensichtlich steht die Biennale vor ernsten Problemen: Sie hat sich als Label durchgesetzt, das im Kunstbetrieb einiges an Schubkraft für die ökonomische Positionierung einzelner Künstler bringt. Daran wollen natürlich alle teilhaben, dank der Globalisierung erst recht die bisher als Peripherie gehandelten Kontinente. Das ist ebenfalls Diktatur, eine Diktatur des Marktes.
Ein wenig kommt Bonamis Tour de Force aber auch einer Rache am Betrachter gleich: Wer soll sich das alles anschauen? Zumal die Vielzahl der Ausstellungen nur das Begleitprogramm zu den Veranstaltungen in den nationalen Pavillons darstellt. Dort wiederum gibt es in diesem Jahr ebenfalls einen neuen Rekord zu vermelden: Mit 64 Ländern, die sich auf der Biennale präsentieren, hat man inzwischen die Zahl der ursprünglich in den Giardini vertretenen Länder mehr als verdoppelt. Entsprechend finden sich die Nationen über die ganze Stadt verteilt, selbst Wales und Schottland haben sich eigene Dependancen gemietet, weil Großbritannien immer nur englische Künstler zeigt. Und Deutschland? Zeigt Martin Kippenberger und Candida Höfer.