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Archiv-Artikel

unterm strich

Die FAS, wie sollte es anders sein, machte vorletzten Sonntag den Anfang, der Spiegel kam, wie so oft, einen Tag später, aber eigentlich am selben Tag (sonntags ist jetzt ja inoffizieller Spiegel-Tag), und dann ging es Schlag auf Schlag: Martin Walsers neuer Roman „Der Augenblick der Liebe“ beherrschte eine Woche lang die vorderen Kulturseiten von Freitag, Berliner Zeitung, Zeit (alle Donnerstag) über Süddeutsche, Tagesspiegel und FR (alle Freitag, dem offiziellen Erscheinungstermin des Romans) bis zu FAZ, NZZ, Welt und unserer Wenigkeit (alle Samstag). Das ist irgendwie logisch, bedenkt man das Skandalpotenzial, das die Person Martin Walser so hat, das passt, setzt man den Fall, dass Walser Deutschlands oberster Großschriftsteller ist und jedes seiner Bücher das Land spiegelt, aufrüttelt, zum Nachdenken bringt. Da aber Letzteres nicht immer der Fall ist, wundert man sich doch ein bisschen, zumal wenn man andererseits bedenkt, dass an Walsers Büchern doch immer viel rumgemäkelt worden ist, der Roman Walsers mindestens sechzigste Buchveröffentlichung seit 1957 darstellt und sein Hauptthema eines von Walsers Lieblingsthemen ist, also nicht neu: die Liebe („Jenseits der Liebe“, „Der Lebenslauf der Liebe“).

Und so fragt man sich, was denn mit dem Buch jetzt so passiert: Jagt es hinauf auf die Bestsellerlisten? Oder braucht es noch die anderen Leitmedien, insbesondere das Fernsehen? Und, noch wichtiger: Ist der Roman nun die nächsten Wochen und Monate der talk of the town und anderswo? Reicht es dafür mit La Metrie, der Altersgeilheit, dem Nie-ausgelernt-Haben, dem Alles-sagen-Dürfen auch über Deutschland? Zu vermuten ist: wohl eher nicht.

Ein bisschen entsteht nämlich bei dieser gemeinschaftlich-flächendeckenden und größtenteils wohlwollenden Wichtigfeuilleton-Walser-Aktion auch der Eindruck, dieses Buch sei geradezu wegbesprochen worden, so als führe leider, leider kein Weg dran vorbei: Warum nicht dann den schnellsten nehmen? Everybody’s Darling ist Walser ja nicht, und so kann man Bücher eben auch in die totale Vergessenheit treiben: in einer Woche durchbesprechen, und dann ist Ende. Man denke nur an Peter Handkes letztes in null Komma nix pünktlich bei Erscheinen durch- und wegbesprochene Buch „Der Bildverlust oder Durch die Sierra de Gredos“, an das sich außer die damaligen Rezensenten wohl kaum noch einer erinnert. Martin Walser dürfte das egal sein, zumal er, fleißig wie er ist, vorgebaut hat: Ende September gibt es schon wieder ein Buch von ihm, eine Essaysammlung mit dem Titel „Die Verwaltung des Nichts“.