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Archiv-Artikel

unterm strich

Die Befürchtungen von Elfriede Jelinek haben sich bereits einen Tag nach der Zuerkennung des Literaturnobelpreises bestätigt: Die Dichterin, von der österreichischen Politik wie vom Boulevard über Jahrzehnte geschmäht und diffamiert, wird jetzt als Aushängeschild für die Kulturnation Österreich benutzt. „Eine Anerkennung für den Kreativstandort Österreich“ nannte Kultur-Staatssekretär Franz Morak die Entscheidung, und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel philosophierte: „Sie schafft Irritationen, und dafür muss Kultur Raum geben.“ Selbst das Massenblatt Kronen-Zeitung, dessen Hausdichter vor Jahren der Reim „Dreck“ auf „Jelinek“ einfiel, lobte gestern die „mutige Entscheidung“. Die steirische Regionalausgabe sprach sogar stolz vom „Nobelpreis an eine Obersteirerin“. Allein die Freiheitlichen, deren langjähriger Chef Jörg Haider der Autorin sogar einmal nahe gelegt hatte, das Land zu verlassen, bleiben auf Distanz. Deren Kultursprecherin Helene Partik-Pablé sorgt sich um das Ansehen Österreichs im Ausland: Man dürfe „nicht vergessen, dass Elfriede Jelinek Österreich seit Jahren genussvoll in den Dreck zieht“, hielt die Politikerin fest: „Vor allem, da sich der Autorin nun ein größerer internationaler Leserkreis erschließen wird und so ihr doch etwas bizarres Österreichbild noch mehr verbreitet wird.“

Auch schräg: Der Kinofilm „Das Wunder von Bern“ eröffnet das indisch-deutsche Filmfest in Bangalore. Fragt sich: was die indischen Zeitungen nach der Vorführung wohl für ein Bild von Deutschland vermitteln werden. Kommen noch IT-Techniker, wenn sie denken, hier ständig Kaninchen essen zu müssen?

Schließlich noch dies: Die neue Rechtschreibung soll wie geplant zum 1. August 2005 verbindlich in Kraft treten. Das beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder einstimmig bei ihrer Jahreskonferenz in Berlin, wie Klaus Wowereit gestern mitteilte. Zugleich solle der von der Kultusministerkonferenz vorgeschlagene Rat für deutsche Rechtschreibung zügig seine Arbeit aufnehmen. Wenn dieser zu einvernehmlichen Ergebnissen kommen sollte, könnten diese auch noch vor dem 1. August 2005 eingearbeitet werden, so Wowereit.