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Archiv-Artikel

unterm strich

Als Christoph Schlingensiefs „Kunst & Gemüse. A. Hipler“ in der Volksbühne Berlin Premiere hatte, saßen drei taz-Kulturredakteure im Theater – am Ende mit je einer anderen Liste der wichtigsten Szenen im Kopf. Angriffsflächen für eine Vielfalt von Lesarten zu bilden: In der Überlagerung von unterschiedlichen Kontexten ist Schlingensief unübertroffen. Jetzt ist „Kunst & Gemüse. A. Hipler“ zum Theatertreffen eingeladen, die Schlingensief-Exegese öffnet ihre Tore für die nächste Runde – das freut wiederum alle.

Neu ist auf der Liste der zum Theatertreffen eingeladenen Produktionen, die am Mittwoch von den Berliner Festspielen bekannt gegeben wurde, nur der Name der Regisseurin Barbara Bürk, die für die Spielstätte Ballhofeins des Schauspiels Hannover die Uraufführung von „Hotel Paraiso“ von Lutz Hübner inszeniert hat. Lutz Hübner gehört zu den meistgespielten Dramatikern der Gegenwart, der vom Jugendtheater her und von Familiengeschichten ausgehend allmählich ein gewaltiges Panorama der Gesellschaft ausgerollt hat.

Gleich zweimal ist der Regisseur Stefan Pucher vertreten, der für die unterschiedlichsten Stoffe immer wieder neue, theaterkritische Konzepte entwirft. Vom Schauspielhaus Hamburg bringt er seinen „Othello“ mit und aus Zürich die Romanbearbeitung „Homo Faber“. Die siebenköpfige Jury, die sich für ihre Wahl von zehn „bemerkenswerten Inszenierungen“ knapp 300 Inszenierungen angeschaut hat, entschied sich auch für Jürgen Goschs „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ im Deutschen Theater in Berlin. Die Inszenierung war vom ersten Tag an ein Publikumsrenner, nicht nur wegen des erstklassigen Spiels von Corinna Harfouch und Ulrich Matthes, sondern weil es den Beziehungskrieg in unerreichter Spannung schildert.

In der letzten Spielzeit wurde der Autor Paul Claudel auf verschiedenen Bühnen wiederentdeckt, stets als ein eigentlich inkommensurabler Brocken aus dem Steinbruch der Geschichte. Jossi Wieler inszenierte Claudels „Mittagswende“ an den Münchner Kammerspielen und ist damit eingeladen. Aus dem gleichen Haus stammen auch „Die Nibelungen“ von Andreas Kriegenburg.

Michael Thalheimer mit „Lulu“ aus dem Thalia Theater Hamburg, Johan Simons mit Houellebecqs „Elementarteilchen“ aus dem Schauspielhaus Zürich und Andrea Breth mit „Don Carlos“ vom Wiener Burgtheater: Sie alle waren schon so oft eingeladen, dass das Theatertreffen deutschsprachiger Bühnen allmählich einem Familientreffen zu gleichen beginnt. Eröffnet wird das Theatertreffen am 6. Mai, der schriftliche Vorverkauf beginnt Ende März.