unterm strich :
Der Brand in der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek hat nicht nur Schätze zerstört, sondern auch welche zutage gefördert. In den stark von Löschwasser durchtränkten Bänden haben die Restaurateure des Leipziger Zentrums für Buch-Erhaltung jetzt die Fragmente einer 10. Sinfonie des deutsch-österreichischen Komponisten Ludwig van Beethoven entdeckt. Experten aus der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, wo die meisten Originalpartituren Beethovens aufbewahrt werden, seien eigens nach Leipzig gereist und hätten die Echtheit der Notenblätter bestätigt, teilte das Zentrum gestern mit. Es handele sich offenbar um den Entwurf für einen ersten Satz, wobei allerdings nur die Melodielinie vollständig ausgearbeitet und die Instrumentierung erst begonnen sei. Das Hauptmotiv weise eine auffallende Ähnlichkeit mit dem berühmten Schicksalsmotiv aus der 5. Sinfonie auf, hieß es. Auf der ersten Seite seien die ausgekratzten Reste einer Widmung zu erkennen. Der britische Dirigent John Eliot Gardiner bot bereits gestern von London aus an, aus den überlieferten Fragmenten eine Orchesterfassung zu rekonstruieren und sie in einem Benefizkonzert für die Weimarer Bibliothek zur Spielzeiteröffnung des dortigen Nationaltheaters im kommenden Herbst aufzuführen. Unklar blieb zunächst, ob die Weimarer Staatskapelle auf modernen Instrumenten spielen soll oder Gardiners „Orchestre Révolutionnaire et Romantique“ auf Originalinstrumenten des frühen 19. Jahrhunderts. Bislang galt die 1823 vollendete 9. Sinfonie als letztes sinfonisches Werk des 1827 gestorbenen Komponisten. Das galt in der Musikwelt seither als böses Omen: Auch Anton Bruckner, Antonín Dvořák und Gustav Mahler vermochten es nicht, eine 10. Sinfonie fertig zu stellen.