unterm strich :
Es ist schon seltsam: Warum ist es eigentlich so schwierig, sich zu einem Krieg oder Konflikt in einem anderen Land zu verhalten, ohne dabei einseitig Partei zu ergreifen? Warum scheint es wie ein Automatismus, dass man sich auf eine Seite schlägt und dadurch eine differenzierte Wahrnehmung der Situation ausschließt? Peter Handke ist ein trauriges Beispiel für diesen Automatismus: Der Mann hat ja durchaus in manchen Punkten Recht – etwa wenn er darauf hinweist, dass Politiker und Medien in Westeuropa bisweilen voreingenommen auf die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien blicken und dass sie sich ihrer Sache allzu sicher sind, wenn es gilt, Opfer und Täter zu bestimmen. Nur: Muss Handke deswegen am Grab Slobodan Milošević’ Trauerreden halten? Muss er deswegen, wie gestern wieder in der französischen Tageszeitung Libération geschehen, in einen tumben, umgekehrten Opferdiskurs verfallen, der nichts als das Leiden der Serben wahrnehmen will? „Hören wir auf, die Massaker auf die serbischen Militärs und Paramilitärs zu schieben. Hören wir endlich auf die Überlebenden der muslimischen Massaker in den zahlreichen serbischen Dörfern“, wurde er in der gestrigen Libération zitiert.
Hintergrund der Debatte ist die Absetzung von Handkes Stück „Voyage au pays sonore ou l’art de la question“ („Spiel vom Fragen oder Die Reise ins sonore Land“) vom Spielplan der Comédie Française. Der Intendant des Theaters, Marcel Bozonnet, erwirkte die Absetzung der für die kommenden Spielzeit geplanten Inszenierung, nachdem Handke seiner Sympathie für Milošević Ausdruck verliehen hatte. Damit zog Bozonnet den Vorwurf auf sich, er zensiere – eine Petition mit dem Titel „Ne censurez pas l’oeuvre de Peter Handke!“ („Zensieren Sie das Werk Peter Handkes nicht!“) wurde zum Beispiel von dem Filmemacher Emir Kusturica und dem Theaterregisseur Luc Bondy unterzeichnet. Seit gestern zirkuliert nun auch die Gegenpetition: „Das Recht, Nein zu sagen“; sie spricht sich für die Absetzung des Stückes aus und wurde von über hundert Schriftstellern und Intellektuellen unterzeichnet, unter anderem von der Regisseurin Ariane Mnouchkine und der Theoretikerin Hélène Cixous.