unterm strich :
Der Streit zwischen dem Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und dem Chef der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn, geht in die nächste Runde. Gegenstand des Disputs: Sind Bahnhöfe, deutsche zumal, der geeignete Ort, um an so unappetitliche Dinge wie Deportationen zu erinnern? In Frankreich, wo kürzlich die Ausstellung zur systematischen „Verschickung“ von jüdischen Kindern just auf verschiedenen Bahnhöfen gezeigt wurde, möge das angehen. Für Deutschland aber müssen bitte andere Maßstäbe angelegt werden: Während des Brötchenkauens und des hektischen Laufs zum Zug sind hierzulande dem Reisenden ernste Themen zur Verdauung nicht zuzumuten. Hinzu kommt, dass Deutschland im Gegensatz zu Frankreich schon vielfach die Vergangenheit der Bahn aufgearbeitet hat. Die von Beate Klarsfeld konzipierte Ausstellung „11.000 jüdische Kinder. Mit der Reichsbahn in den Tod“ ist für Hartmut Mehdorn deshalb nicht akzeptabel. Sein Vorschlag zur Güte: Die Bahn bringt die bahneigene Ausstellung zur NS-Vergangenheit im bahneigenen Museum in Nürnberg „auf den neuesten Forschungsstand“ und stellt infolgedessen die Opfer mehr in den Mittelpunkt. Damit will sich nun Tiefensee, der im Vorfeld bereits Jan Philipp Reemtsma als Experten hinzugezogen hat, gar nicht anfreunden. Schließlich ist die systematische Vernichtung der jüdischen Bevölkerung im Alltag und in der Öffentlichkeit und eben an Bahnhöfen durchgeführt worden und hat nicht etwa im White Cube stattgefunden. Außerdem: Wie lässt sich bei dieser Argumentation eigentlich die von der Bahn im letzten Jahr anlässlich des „World Press Photo“ durchgeführte Exposition von Kriegsbildern just zwischen Bäckerei und Drospa-Filiale erklären?
Auch der Direktor der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, kritisiert das aktuell erodierende Bewusstsein für politische Fragen. Nicht bei Managern, sondern bei Künstlern und Intellektuellen. Aus diesem Grund stellt er die diesjährige Mitgliederversammlung unter das Motto: „Alle Kunst ist politisch“ und lädt Günter Grass zur „Langen Nacht der Akademie“ am nächsten Wochenende als Ehrengast ein.