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Archiv-Artikel

unterm strich

Es ist schon ein seltsames Ding um das gewachsene Interesse an der bildenden Kunst: gestiegene Preise auf dem Kunstmarkt, gestiegene Besucherzahlen in den Museen, lange Schlangen vor Sonderausstellungen. Nicht zuletzt Lange Museumsnächte haben in vielen Städten zur Verwandlung des Ausstellungsbesuchs von der kontemplativen Betrachtung zu einem Event beigetragen, bei dem das Publikum sich selbst feiert. Und fast könnte man glauben, dass der Kunstraub dabei zu einer neuen sportiven Kategorie geworden ist. Zumindest, wenn man die neuesten Nachrichten aus Museen in Hannover und Mannheim liest. In Hannover wurde am Neujahrstag aus dem Historischen Museum das kleine Ölgemälde „Georg Kestner als Kind“ aus der Verankerung gerissen, gerade so, als ob das Werk eines unbekannten Malers einer Katerlaune nach Silvester zum Opfer gefallen sei. In Mannheim gestand ein im Dezember verhafteter Rechtsanwalt, in der Langen Nacht der Museen im März 2006 das Bild „Friedenszeit“ von Carl Spitzweg gestohlen zu haben. Der Geldwert beider Bilder ist sehr unterschiedlich – dem Spitzweg wird ein Wert von 500.000 Euro zugeschrieben, dem Bild aus Hannover ein Preis von 3.000 Euro, der von seiner kulturgeschichtlichen Bedeutung aber übertroffen werde.

Es ist auch ein seltsames Ding um das gestiegene Interesse an den Sammlern von bildender Kunst. Da kommt etwa folgende Meldung hereingeschneit: „Bei der Sanierung von Schloss Derneburg bei Hildesheim hat der US-Millionär Andrew Hall gegen den Denkmalschutz verstoßen.“ Aha, denkt man sich. Ein „US-Millionär“ hat also gegen den Denkmalschutz verstoßen. Es ist aber nicht irgendein „US-Millionär“, es ist der amerikanische Kunstsammler Andrew Hall. Und der hatte das Gebäude vor rund einem Jahr von dem Maler Georg Baselitz gekauft – irgendwann scheint es eben nicht zu reichen, nur die Bilder zu kaufen, man möchte auch den Boden, auf dem der Meister gewandelt ist, als er sie malte. Und jetzt haben Bauarbeiter beim Versuch, Feuchtigkeitsschäden auszubessern und die Elektrik und Heizung zu erneuern, Teile eines Kreuzgangs beschädigt, weshalb Hall damit rechnen muss, ein Bußgeld zu bezahlen, denn der Kreuzgang ist denkmalgeschützt, was Hall aber nicht wusste. Was Hall offensichtlich auch nicht weiß, so heißt es in der Meldung wenigstens, ist, was er überhaupt mit dem Schloss machen will. Es wird spekuliert – na, was? –, er plane dort die öffentliche Ausstellung seiner Kunstsammlung, zu der unter anderem Werke von Baselitz, Jörg Immendorff, Anselm Kiefer und Markus Lüpertz gehören sollen.