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Ein weiterer folgenreicher Fall von Restitution –trotz erfolgter Entschädigung – steht zur Entscheidung an: Es geht um die Plakatsammlung des Berliner Zahnarztes Hans Sachs, der 1938 nach der Reichspogromnacht in ein KZ verschleppt wurde. Als er drei Wochen später in die USA ausreisen konnte, verlor er seine bedeutende Sammlung, die er bereits als Schüler aufzubauen begonnen hatte. Ein Restbestand von 4.500 Blättern, der den Krieg überdauerte, bildet heute den Grundstock der Plakatsammlung des Deutschen Historischen Museums in Berlin. Er wurde 1953 in einem Keller in Berlin-Mitte gefunden und war dem damaligen DDR-Museum für Deutsche Geschichte übergeben worden. Dessen Kurator Helmut Rademacher führte in den 60er-Jahren einen Briefwechsel mit Hans Sachs. Der einstige Eigentümer stellte keine Ansprüche, da er 1961 von der Bundesrepublik bereits mit 250.000 DM entschädigt worden war, freute sich aber offenbar sehr, dass zumindest ein Teil der Blätter noch erhalten war und nun in einem Museum gezeigt wurde.

Bei Beschlagnahme durch die Nazis umfasste der Schatz immerhin 12.000 Blätter. 1992 zeigte das Deutsche Historische Museum, das das DDR-Museum übernommen hatte, eine Ausstellung über Plakatkunst und präsentierte auch Blätter aus der Sammlung Sachs. Ein Aufsatz im Katalog würdigte die Verdienste des 1974 verstorbenen jüdischen Sammlers.

Schon damals, argumentiert Kurator Dieter Vorsteher, hätte der Sohn Rückgabeansprüche stellen können, tat es aber nicht: „Wir haben versucht, den Sohn über einen Aufruf in den USA ausfindig zu machen, er hat sich nicht gemeldet.“ Museumschef Hans Ottomeyer argumentiert daher, dass die Frist für eine Rückforderung des enteigneten Besitzes bereits 1999 abgelaufen sei. Erst 2005 kam der Kontakt mit Peter Sachs zustande – über den Berliner Anwalt Matthias Druba, der sich mit der Rückgabeforderung seines Mandanten an das Museum wandte. Sachs habe erst jetzt von der Restsammlung seines Vaters im DHM erfahren, in der Familie sei nicht darüber gesprochen worden.

Morgen nun wird der Streit vor der „Beratenden Kommission“, die sich auf Intervention von Kulturstaatsminister Bernd Neumann einschaltete, unter Vorsitz der ehemaligen Bundesverfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach verhandelt. Das 2003 von Bund, Ländern und Gemeinden ins Leben gerufene achtköpfige Schiedsgremium soll über Streitfälle bei der Rückgabe von Kunstgütern aus ehemals jüdischem Eigentum befinden. Der 70-jährige Peter Sachs wünscht sich ein eigenes Museum für die Sammlung.

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