unterm strich:
„Sie blieb in Strümpfen, ich im Hemd. Wir tun es mir, ihr, uns.“ So singt Joachim Sartorius das Lied der „Kleinen Königin der schönen Huren“ im Gedicht- und Fotoband „Vakant“, den er mit der amerikanischen Künstlerin Nan Goldin publizierte.
Es ist die B.Z., die uns an dieses Gedicht samt dem Foto eines ungemachten Bettes in der Pension Savoy in Berlin erinnert und auch sonst mit einigen interessanten Informationen über den neuen Intendanten der Berliner Festspiele GmbH aufwartet.
Zum Beispiel ist der 1946 in Fürth geborene Diplomat, Lyriker und Kulturmanager ein Nachtmensch, wobei sein Lieblingsort zu später Stunde eine Bar neben den Hackeschen Höfen ist, die den denkwürdigen Namen „Eschloraque Rümpf-Schlümpf“ trägt. So ein Name regt natürlich zum Dichten an. Ein Geschäft, dem Sartorius, wie er der B.Z. Auskunft gibt, eh nachts nachgeht.
Was Sartorius mit den Festspielen vor hat, das hat die B.Z. leider nicht nachgefragt. Und wir, die wir unglücklicherweise wegen unserem frühen Redaktionsschluss nie dazu kommen, rechtzeitig eine Pressekonferenz wie die am Montag zu kommentieren, wo Kultursenator Stölzl die Entscheidungen des Festspielkuratoriums bekannt gab, werden nolens volens unsere Eindrücke zu diesem Thema nun unterm Strich nachliefern: Die Übernahme der Festspiele durch den Bund und der Abschied von Ulrich Eckhardt, der ihnen immerhin 28 Jahre vorstand, die zwei Punkte also, die die Frage nach dem Strukturwandel der Festspiele aufwerfen, bedachte Sartorius mit dem Stichwort von der neuen Geschäftsgrundlage. Und die heißt: Berlin ist Hauptstadt, hier muss das Beste der Welt vorgestellt werden.
Das ist natürlich eine arg schlanke Version des Andenkens einer Strukturreform. Und vielleicht ist sie nicht so recht geeignet, Befürchtungen zu zerstreuen, die Festspiele könnten künftig mehr der kulturellen Selbstdarstellung der Regierung dienen als den Berlinern neue Horizonte öffnen. Zumal nicht Bruch mit Eckhardts Programm, sondern Kontinuität bei Verschlankung und Konzentration Sartorius’ Vorschlag ist. Er begrüßt die Freie Volksbühne als Festspiel- und Kulturdebattenort, das Theatertreffen soll bleiben, nur über die Jury will man nachdenken. Die Ausstellungen im Martin-Gropius-Bau werden fortgesetzt, die Festwochen im September auf zwei Wochen gekürzt, Auftragswerke sollen mehr zeitgenössisches Musiktheater nach Berlin bringen. Die Musikbiennale soll sich der populären Avantgarde öffnen, das Jazzfest will man loswerden, pc gesprochen: outsourcen.
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