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Nach den Historikern und dem Feuilleton melden sich nun die Kinder von Sebastian Haffner zu Wort, um ihrem Vater beizustehen: Tochter Sarah sagte in der Berliner Morgenpost auf die Frage, ob Haffner nicht auch nach dem Krieg an dem Manuskript zu seinem Buch „Geschichte eines Deutschen“ weitergearbeitet haben könnte: „Mein Bruder hat in dem Tagebuch meines Vaters eine Notiz gefunden, die belegt, dass er sich später noch mit dem Manuskript befasst hat.“ Aber nur um zu überlegen, wie man es weiter fortführen könnte. „Das Manuskript, das wir gefunden haben, hat englisches Format und ist eine Reinschrift mit ganz wenigen Korrekturen.“ Der Verleger Friedrich Warburg habe in einem 1973 veröffentlichten Buch die Entstehung des Manuskripts beschrieben, sagte Sarah Haffner. „Er erzählt, wie mein Vater 1939 zu ihm kommt mit dem Vorschlag, diese politische Autobiografie zu schreiben. Und dann bot er kurz nach dem Ausbruch des Krieges etwas anderes an: die politische Analyse der Ereignisse. Die hat mein Vater 1940 unter dem Titel „Germany Jekyll and Hyde“ vorgelegt.“ Dem Kunsthistoriker Jürgen Paul, der behauptet hatte, Haffner habe das Manuskript erst nach dem Krieg verfasst, wirft Sarah Haffner vor, er habe nie versucht, mit ihr oder ihrem Bruder Kontakt aufzunehmen. Und der Historiker Henning Köhler sei schon zu Lebzeiten ihres Vaters dessen Feind gewesen. „Köhler behauptet, mein Vater hätte es darauf angelegt, dass das Manuskript in einem Geheimfach entdeckt wird. Mein Vater hatte zu mir kurz vor seinem Tod gesagt: ‚In dem Schreibtisch ist ein Fach, da sind Manuskripte drin, macht damit, was ihr wollt.‘ Mein Bruder fand schließlich das Manuskript.“ Ihr Bruder, Oliver Pretzel, bricht nun in der Zeit eine Lanze für seinen Vater. Er habe das Manuskript im Nachlass seines Vaters gefunden, offensichtlich abgeschlossen und vollständig mit Ausnahme der Kapitel 10 und 25. Letzteres war 1983 im Stern erschienen und wurde nahezu unverändert in das Manuskript eingefügt. Das 10. Kapitel wurde von Pretzel aus einer englischen Übersetzung, die Haffner offenbar selbst angefangen und nicht beendet hatte, ins Deutsche zurückübersetzt. Pretzel schreibt, ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung habe er ein Notizheft seines Vaters aus dem Jahr 1946 gefunden, darin einen Entwurf für eine neue Fassung der „Geschichte eines Deutschen“. „Es ist ganz klar, dass dieser Entwurf, der an einem freien Tag während eines Deutschlandaufenthaltes geschrieben wurde, nicht das Manuskript, das ich fand, beschreibt, sondern ein neues, sehr anderes Buch, das nicht entstanden ist.“

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