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Archiv-Artikel

unter 5 millionen Vergesst die Arbeitslosenzahl!

5 Millionen Arbeitslose – diese Nachricht schien die Bundesregierung im Januar zu schwächen. Doch schon damals war klar, dass die Schwäche zur Stärke würde, weil sich das politische Erfolgskriterium verschoben hat. „Trendwenden“ sind nun leichter zu haben. Plötzlich sind schon 4.968.000 Arbeitslose ein Triumph für die Regierung – wurde doch die magische Grenze der 5 Millionen unterschritten.

Kommentarvon ULRIKE HERRMANN

Wichtig ist jetzt nur noch, dass die Arbeitslosigkeit bloß nicht erneut steigt. Schon gar nicht vor der Bundestagswahl 2006. Wie gewohnt gab sich Wirtschaftsminister Clement optimistisch; „nie wieder“ sei mit 5 Millionen Erwerbslosen zu rechnen.

Erfreulich für den Minister: Genau diese Prognose haben auch die Wirtschaftsforschungsinstitute vor drei Tagen abgeliefert. Der bescheidene Optimismus wirkt allerdings überraschend, denn für 2004 wird nur ein Wachstum von 0,7 und für 2005 von 1,5 Prozent erwartet. Das ist zwar ein kleines Plus und noch keine Stagnation – aber jahrzehntelange Erfahrung hat gelehrt, dass die deutsche Wirtschaft um mindestens 1,5 Prozent zulegen muss, damit die Arbeitslosigkeit nicht steigt. Spinnen die Experten und der Wirtschaftsminister?

Nein, sie haben Recht mit ihrem Optimismus. Man muss nur die offizielle Statistik betrachten und alle anderen Zahlen meiden. Keinesfalls darf der Blick etwa auf den Trend bei den sozialversicherungspflichtigen Jobs fallen. Denn der erschüttert, statt zu erbauen: Seit 2004 gingen mehr als eine halbe Million „normale“ Stellen verloren.

Kräftige Expansion gab’s dafür bei den Minijobs, Ich-AGs, 1-Euro-Jobs und diversen Teilzeittätigkeiten. Sie alle sorgen offiziell für Beschäftigung. Dieser subventionierte Sektor wird weiter boomen und die Statistik schönen.

Es stellt sich zunehmend die Frage, wie sinnvoll es noch ist, monatlich das Ritual der Arbeitslosenzahlen zu zelebrieren. Denn der Erkenntniswert ist gering. Oder wie es Wirtschaftsforscher formulieren: Die Arbeitslosigkeit ist eine „Restgröße“, die sich politisch manipulieren lässt.

Die relevanten Zahlen sind andere. Man stelle sich vor, der Wirtschaftsminister würde monatlich vor die Medien treten, um prominent zu verkünden, wie sich die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entwickelt hat. Das wäre zwar unerfreulich für ihn, aber deutlich spannender.

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