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GASTKOMMENTARE„...und raus damit“

■ Im Bundestag findet heute die zweite und dritte Lesung zum Asylverfahrensgesetz statt

Es ist angerichtet. Was der Koch Rühe im Sommer 1991 mit seiner Asylkampagne anrührte, werden die Köche von CSU bis SPD am heutigen Freitag im Bundestag gutheißen und zur Akklamation an den Bundesrat weiterleiten. Nach den Verkehrswegen und der Rechtspflege sollen nun die Asylverfahren beschleunigt werden.

Doch genausowenig wie die anderen beiden Gesetze bessere Verkehrsverbindungen oder ein gepflegteres Recht bringen, beschleunigt das von Pro Asyl treffend als „Notstandsgesetz gegen Flüchtlinge“ bezeichnete Asylverfahrensgesetz die Asylverfahren — eher im Gegenteil.

Die 10. Beschleunigungsnovelle seit 1980 beendet nicht den täglichen Bruch des Völkerrechts durch die Bundesrepublik, die sich allen Mahnungen des UN-Flüchtlingskommissars zum Trotz immer noch weigert, Flüchtlingen nach der Genfer Konvention den Flüchtlingsstatus zuzusprechen. Sie will sie weiterhin nur dulden. Schlimmer noch, nach dem neuen Gesetz wird jedem Flüchtling, der nicht anerkannt wird, zwingend die Abschiebung angedroht werden müssen — auch wenn er aus rechtlichen und/oder humanitären Gründen gar nicht abgeschoben werden kann.

Das Gesetz verhindert nicht einen der in diesem Jahr gestellten mehr als 40.000 überflüssigen Asylanträge — etwa aus dem umkämpften Ex-Jugoslawien. Anstatt Bürgerkriegsflüchtlinge durch ein ebenso bürokratisches wie aussichtsloses Anerkennungsverfahren zu peitschen, hätte die Chance genutzt werden müssen, diesen Menschen ein eigenes, befristetes Bleiberecht zu gewähren. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dann ist er hier zu finden: CDU/CSU- und SPD-Bundestagsfraktion wollen nicht beschleunigen, sie wollen „Scheinasylanten“ produzieren.

Die Asylbewerber sollen einem Verfahren ausgesetzt werden, in dem EinzelrichterInnen in kürzester Frist unanfechtbar über ihr Anliegen — und damit häufig über Leben und Tod — entscheiden. In der Regel wird alles, was sie nicht binnen zwei Wochen vorbringen, vor Gericht nicht mehr berücksichtigt werden.

Das Gesetz ist in bestimmten Passagen verfassungswidrig. Es macht die Rechtsstaatsgarantie, die Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht auf Asyl zu einem Fußabtreter für Bürokraten. Es ist nicht die Sicherung gegen eine Verfassungsänderung, sondern der letzte Schritt, bevor der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit die humanitäre Verpflichtung aus dem Nazifaschismus für erledigt erklärt. Friedhelm Fahrtmann (SPD) hat jüngst sein Rezept gegen Flüchtlinge zum besten gegeben: „An Kopf und Kragen packen und raus damit“. Das neue Asylverfahrensgesetz formuliert dies in mehr Paragraphen. Es will dasselbe. Jürgen Trittin

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