uli hannemann, liebling der massen : Zurück in die Zukunft: Das Rauchverbot ist weder der Anfang noch das Ende
Wer erinnert sich nicht an die Einführung des Rauchverbots? Da hieß es: Unvorstellbar – das setzt sich nie durch! In Deutschland schlugen die Wellen hoch. Bei Marginalien wie Demokratie oder Menschenrechten blieb die Straße selbstverständlich leer, doch gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Rauchverbote ging man sofort auf die Barrikaden. In unüberbietbarem Zynismus höhnte man: „Demnächst verbieten sie uns noch das Atmen?“
Die Realität sollte die Spötter einholen. Das Weltklima verschlechterte sich dramatisch, und bereits im Jahr 2015 zog die „Novemberkoalition“, wie die Regierung aus Grünen, NPD und Grauen Panthern nach ihrer Spätherbstfärbung genannt wurde, die Notbremse: Um den menschlichen CO2-Ausstoß zu verringern, wurde die Erlaubnis zu atmen auf Privaträume beschränkt. Als willkommener Nebeneffekt beseitigte man damit zugleich die Straßenkriminalität. Wer bei Verlassen des Hauses die Luft anhält, um auf kürzestem Wege zum nächsten offiziellen Luftholbunker zu hasten, verkneift sich überflüssige Sperenzchen. Später wurden an Schwerstarbeitende Atemscheine ausgegeben, nur ein kleiner Vorgeschmack auf die bürokratischen Maßnahmen, die uns noch bevorstehen: Daseinsberechtigung, Sauerstoffmarken und Lizenz zum Leben.
Die Zeiten und Sitten ändern sich so rasend schnell – besser, man ist auf alles vorbereitet. So hätten wir noch in den 80er-Jahren schon über ein Rauchverbot höchstens gekichert. Einmal röchelte ich mit einer Lungenentzündung an einer Infusion hängend im Krankenbett. Zu meinen Füßen saß der Besuch und rauchte vor Besorgnis Kette. Keiner von uns wäre auch nur auf die Idee gekommen, das zu hinterfragen. Es war einfach so: Schwangere qualmten in Flugzeugen; Mitspieler rauchten auf der Ersatzbank oder in der Halbzeitpause; in Kneipen wurde mit dem Namen des jeweiligen Gesundheitsministers begrüßt, wer seine Zigarette mit Filter rauchte.
Immerhin gab es ja auch Zeiten, in denen man sich nicht vorstellen konnte, dass das Kacken in der Öffentlichkeit eingeschränkt wird. Doch die Zivilisation schritt voran, die Beschwerden häuften sich und – zack! – auf einmal hieß es an jeder Höhlenwand: „Ab 01.01. 25.000 v. Chr. wird das Kacken nur noch in speziellen abgeschlossenen Kackräumen erlaubt sein.“ Nach einer Übergangsfrist von mehreren hundert Jahren erscheint es uns heute völlig normal, zum Kacken einen eigenen Raum aufzusuchen – Ausnahmen: Krankenhäuser, Kriege, Love Parade. Der Mensch ist nun mal ein Gewohnheitstier.
Über das Verbot, andere Menschen umzubringen, hätte man früher ebenfalls nur den Kopf geschüttelt. Heute dagegen beschränkt sich die Einrichtung von Räumen, in denen das erlaubt ist, auf vernachlässigbar wenige Todeszellen, in denen eine lächerliche Handvoll Privilegierter ihrer, uns längst befremdlich anmutenden, Leidenschaft frönt – Ausnahmen: Kriege, Notwehr, unbeleuchtete Radfahrer.
Und selbst in die intimsten Bereiche greifen mittlerweile absurde Reglementierungen ein: Wer hätte sich vormals träumen lassen, dass zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs eigene Häuser eingerichtet werden, wo man auch noch Geld dafür bezahlt. Das erinnert an den Ablasshandel für erhöhten CO2-Ausstoß, den Billigfluglinien sensiblen Kunden anboten, die sich nicht eingestehen wollten, dass sie auch nur Arschlöcher wie alle anderen waren. Doch mit der demokratischeren Einschränkung des individuellen CO2-Ausstoßes hat sich diese Heuchelei zum Glück erledigt. ULI HANNEMANN