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Archiv-Artikel

ukraine Spaltung verhindern

Wer den internationalen Vermittlungsversuch in Kiew bereits als ersten Schritt zu einer politischen Lösung der Krise wertet, verwechselt Wunschträume mit der Realität: Da schwadroniert der plötzlich so kompromissbereite Nochpräsident Leonid Kutschma von groben Rechtsverstößen der Opposition, weil diese aus Protest gegen die offensichtlichen Wahlfälschungen seit Tagen die Regierungsgebäude belagert. Juristisch völlig unbedenklich ist es demgegenüber für Kutschma, dass sein Schützling Wiktor Janukowitsch in den östlichen Regionen der Ukraine über eine Autonomie verhandelt – und dies auch noch unter dem Deckmäntelchen, die Spannungen entschärfen zu wollen.

KOMMENTAR VON BARBARA OERTEL

Das ist pure Heuchelei. Wohin die Reise wirklich geht, zeigt die Anwesenheit des Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow im Osten der Ukraine. Seit Jahren propagiert Luschkow öffentlich einen Anschluss der Krim an Russland. Das zeigt: Es geht jetzt um nichts weniger als darum, im Kampf um die Macht notfalls auch die territoriale Integrität der Ukraine zu opfern.

Die wahnwitzigen Aktionen von Janukowitsch können gerade im Osten des Landes höchst gefährliche und explosive Konsequenzen haben. Vor allem aber zeigt der Amoklauf des bisherigen Premiers, dass seine Regierung am Ende ist. Daher dürfte der letzte Trumpf, den Janukowitsch jetzt noch auszuspielen versucht, bei den hunderttausenden friedlichen Demonstranten auch nicht die erhoffte einschüchternde Wirkung zeigen. Denn diese fühlt sich – zu Recht – nach dem eindeutigen Votum des Parlaments gegen das offiziell verkündete Wahlergebnis und der plötzlichen Aufmerksamkeit und Aktivität des Westens in ihrem Kampf gestärkt.

Dieser darf jetzt in seinen Bemühungen keinesfalls nachlassen, ja sollte sie unbedingt noch weiter verstärken. In erster Linie muss dabei die neu erwachte „Bewegung von unten“ der Adressat sein, die in den vergangenen Tagen ein erstaunliches Maß an demokratischer Reife bewiesen hat. Deshalb braucht es nicht nur runde Tische oder Arbeitsgruppen, sondern auch ein deutliches Signal der Solidarität mit den demonstrierenden Menschen.

Fast genauso wichtig ist es, die bisherige vornehme Zurückhaltung gegenüber Moskau endlich aufzugeben. Denn für die Ukraine geht es ums Ganze. Die Botschaft an Russland muss lauten: Die Integrität der Ukraine ist unantastbar.