überleben in berlin (5): die orchidee: Ein Opfer des Wildschweins
Dass in Berlin auch noch echte Orchideen wachsen, wild und nicht gezähmt, das mag überraschen. Eine Hoffnungsträgerin dieser Art ist die Breitblättrige Stendelwurz.
Die Großstadt verdrängt viele Tier- und Pflanzenarten. Andere gewöhnen sich an den Trubel - und lassen sich hier nieder. Parallel zur Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen in Bonn stellt die taz einige bemerkenswerte Berliner vor.
Orchideen in Berlin - an alles möchte man dabei denken, an Hellersdorfer Fensterbänke, an Charlottenburger Kaffeekränzchen, ja sogar an die unvergleichlichen Kreuzberger Nächte. Denn beim Wort Orchidee fällt einem in Berlin alles ein, nur keine echte Pflanze. Vielmehr ist sie ein Motto für das, was mit Übertreibung aus dem Alltag herauszustechen sucht. Die Orchidee ist ein Ersatz für opulente Natur, die überbordend in ihrer Farbenfreude daherkommt und auf eine frivole Art fleischig in ihrer Materialität.
Dass in Berlin auch noch echte Orchideen wachsen, wild natürlich und gar nicht gezähmt, das mag überraschen. Eine Hoffnungsträgerin dieser Art ist die Breitblättrige Stendelwurz (Epipactis helleborine). Vor zwei Jahren war sie mal "Orchidee des Jahres". Der "Arbeitskreis heimischer Orchideen" hatte die Schöne ausgewählt, um darauf aufmerksam zu machen, dass diese in Deutschland noch verhältnismäßig oft vorkommt. Bis heute findet man sie auch in Berlin - wenngleich immer seltener.
Die Breitblättrige Stendelwurz besitzt die für Orchideen so typischen fleischigen, dunkelgrünen Blätter. Ihre Blütenstände wiederum bestehen aus 15 bis 80 Einzelblüten. Diese haben, wie es bei vielen heimischen Orchideen der Fall ist, jeweils drei äußere und drei innere Blütenblätter, von denen das zentrale innere Blütenblatt wie eine Lippe aussieht. Die Blüten sind außen grünlich, innen jedoch laufen sie ins Rötliche und Purpurne über. Ihr Aussehen, aber auch ihre samtene Oberfläche, gibt der Pflanze eine sinnliche Qualität.
Die Farbigkeit und die Größe der Breitblättrigen Stendelwurz hängen stark vom Licht-, Nährstoff- und Feuchtigkeitsangebot am Standort der Pflanze ab. Auf nährstoffreichem Boden kann sie bis zu einem Meter groß werden. Auf kargen Böden aber gibt es auch Kümmerexemplare, die nur 20 bis 30 cm Höhe erreichen. Jetzt im Mai wird man die Orchidee noch nirgends zu sehen bekommen. Erst im Juli und August blüht sie und lässt sich von Bienen und Wespen, ja sogar Fliegen bestäuben. Den Samen überlässt sie dem Wind.
In Berlin gibt es bis heute natürliche Vorkommen der Breitblätterigen Stendelwurz in Grunewald, Tegeler und Spandauer Forst, der Wuhlheide und an den Stadträndern. Manchmal kann man sie auch auf verwilderten Friedhöfen und sogar im Tiergarten finden.
Das Gefleckte Knabenkraut, eine nicht minder opulente heimische Orchidee mit sinnlichem Namen, kommt indes in der Stadt nicht mehr vor.
Orchideen sind generell gesetzlich geschützt. Deshalb: Finger weg! Ober besser noch: Werden Sie WildschweinjägerIn! Denn neben dem Menschen drohen den wertvollen Pflanzen vor allem von Wildschweinen Gefahr. "Sie wühlen sich durch die letzten wertvollen Biotope und lassen nur schnell wachsende Vegetation zurück, die alles überwuchert", stöhnt Ulrike Kielhorn vom Naturschutzbund (Nabu). "Die Jäger werden der Wildschweine, denen der milde Winter zugutekam, einfach nicht Herr."
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