tuchmode : In Tunesien
„Es waren Männer, die das Kopftuch eingeführt haben. Und muslimische Männer müssen dazu beitragen, dass es wieder abgeschafft. wird“, so die in Deutschland lebende Tochter des Milli-Görüs-Gründers Emel Abdin-Algan in der taz. In Tunesien, der touristischen Hochburg des Maghreb, tun die regierenden Männer alles dafür, dass das Kopftuch abgeschafft wird. „Wir können Kopftuch und Schleier nicht zulassen, das wäre ein regelrechter Rückschritt“, warnte der Parteichef der allmächtigen Regierungsformation RCD (Rassemblement Constitutionnel Démocratique), Hédi M’henni: „Morgen werden wir dann gezwungen sein, das Recht der Frau auf Arbeit, auf Ausbildung und ihr Wahlrecht abzubauen und sie auf das Gebären zu beschränken.“ Im Einsatz für die Rechte der Frau scheuen sie sich nicht, mit Polizeiaktionen Kopftuchträgerinnen abzuschrecken. Frauen wird der „Voile“ auf offener Straße weggerissen. Doch trotz aller staatlichen Abwehr: Kopftücher und Schleier tauchen selbst in der Hauptstadt Tunis immer öfter auf. Und ausgerechnet Studentinnen des nordafrikanischen Landes gehen mit der Kopftuchmode, die vor ein, zwei Jahren aufkam, und setzen dabei raffinierte Stoffe und Farben ein.
Kommentar von Edith Kresta
Das war nicht immer so. Das Kopftuch war verschwunden aus der Öffentlichkeit. Präsident Zine el-Abidine Ben Ali geißelte unlängst den „Hang zu einem von außen importierten Sektierertum“. Denn Tunesien ist zwar ein muslimisches Land, doch das Touristenparadies versteht sich bereits seit einem halben Jahrhundert als modern und weltoffen, als „Land der Öffnung“.
Die politische Führung des Landes ist deshalb entschlossen, einem Dekret des „obersten Kämpfers“ und Staatsgründers Habib Bourguiba Respekt zu verschaffen: Der „Erlass 108“ von 1981 untersagt den Schleier nicht nur in Verwaltung, Schule und Universität, sondern allgemein „in allen öffentlichen Räumen“.
Nun sieht Tunis es als dringlich an, den Erlass auch wirklich durchzusetzen – und nimmt dabei sogar „brüderliche“ Kritik des in Katar ansässigen Fernsehsenders al-Dschasira in Kauf. Auch Oppositionelle sehen darin eine problematische Attacke auf demokratische Freiheiten, mit denen es im Spitzelstaat Tunesien ohnehin nicht weit her ist. Das Urlaubsparadies steht mit seinen Menschrechtsverletzungen ganz oben auf der Liste von amnesty international.
Ben Ali weiß wohl, dass Frauen mit ihrem Schleier nicht nur muslimische Tradition gegen „westliche Arroganz“ setzen, sondern auch Protest äußern – an einem Regierungskurs, der sich nach außen demokratisch geriert und nach innen Willkür und vor allem Selbstbereicherung der Herrschenden praktiziert. Würden diese neben der plakativen Emanzipation der Frau auch Pressefreiheit und politische Freiheit auf ihre Fahnen schreiben, könnte der Schleier nicht zum Fanal von Anstand und Moral werden. Hinter dem Rückgriff auf den Schleier verbirgt sich – neben offensichtlichen Reislamisierungstendenzen wie in allen arabischen Ländern – auch das Misstrauen gegen eine repressive, korrumpierte Moderne von oben. Sonst wäre der Schleier im modernen Tunesien nicht mehr als ein nettes Accessoire, ein folkloristisches Einsprengsel im arabischen Straßenbild der Touristendestination.