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Archiv-Artikel

tsewang norbu organisiert den tibet-protest Tibeter – und kein Chinese

Das Getreide stand erntereif auf den Feldern, als die chinesische Volksbefreiungsarmee im Sommer 1959 in dem kleinen tibetischen Dorf an der Grenze zu Bhutan einrückte. Die Soldaten waren freundlich, sie plünderten nicht. Aber sie etablierten Unterricht im Maoismus. Zunächst einmal die Woche, dann immer öfter. Als die Indoktrinationssitzungen jedoch morgens und abends stattfanden, beschloss über die Hälfte der 80 Dorfbewohner, dem bereits ins Exil geflüchteten Dalai Lama nach Indien zu folgen. Tsewang Norbu und seine Eltern schlossen sich dieser Dorfhälfte an.

„Meine Eltern wussten, dass sie Tibeter sind und keine Chinesen“, sagt Tsewang Norbu. Der heute 59-Jährige kam 1973 als Student nach Deutschland. Er blieb und engagierte sich für die Unabhängigkeit Tibets. 1979 war er Gründungsmitglied des Vereins der Tibeter in Deutschland. Er arbeitet heute für die Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin.

Seit 1998 hat Norbu die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit dem exiltibetischen Pass war ihm das Reisen zu kompliziert – obwohl die Nachfragen bei den verwunderten Behörden ihm immer wieder Anlass boten, ihnen über Tibet zu erzählen.

Die Sympathie für den Himalajastaat sei in Deutschland besonders groß, berichtet Norbu. „Das liegt sicherlich an Heinrich Harrer und Peter Aufschnaiter“, so Norbu. Harrers Buch „Sieben Jahre in Tibet“ von 1952 ist noch immer ein Bestseller. Die Protestaktionen gegen die chinesischen Besatzer in Tibet, die während der Olympischen Spiele noch einmal verstärkt wurden, finden daher nach wie vor viele deutsche Unterstützer.

„Wir haben mit unseren Aktionen medial mehr erreicht, als wir uns erträumt hätten“, sagt Narbu. Doch leider habe das nicht zum Ziel geführt. Trotzig hätten die Chinesen ihre Kontrolle über Tibet weiter verstärkt.

Er selbst kann sich vorstellen, eines Tages zurückzukehren. „Aber nur in ein unabhängiges Tibet“, sagt er. Die Chancen dafür sieht er jedoch erst nach dem Tod des Dalai Lama: Dann würde sich der Freiheitskampf radikalisieren, ist er sich sicher. Die chinesische Führung glaube, der Dalai Lama sei das Übel. „Dabei ist er ihr bester Gesprächspartner.“ Der Dalai Lama ließe sich auf eine Regelung ein, die Tibet eine wirkliche Autonomie innerhalb des chinesischen Staatenbunds zugestehen würde. Nach seinem Tod fände sich niemand mehr zu so einer Lösung bereit. Dass sich die Chinesen dennoch nicht mit ihm treffen, erklärt sich Norbu vor allem mit der Angst vor dessen Charisma. „Mit seiner Rückkehr aus dem Exil würde er als Symbolfigur für die Freiheit auch andere Minderheiten in China mobilisieren“, glaubt Norbu. JULIANE WIEDEMEIER