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trouble made by ben becker

von MATTHIAS THIEME

„Washastdugesagt?“ Ben Becker versuchte, mir drohend in die Augen zu blicken. Ich schaute erst auf seine in reichlich Gelatine getauchte Kurzhaarfrisur, dann hinab auf sein aus deutschen C-Movies und Vorabendserien bekanntes Gesicht. „Kampfhunde müssen jetzt Maulkörbe tragen“, dachte ich und drehte mir eine Zigarette. Ich stand im „Eschloraque“, einer mit beweglichen Alienbabys und Ledersofas ausgestatteten Bar im unrenovierten Teil der Neuen Mitte Berlins. Hackesche Höfe. Die Tür ist meistens verschlossen. Warum hatten sie einen reingelassen, der mich schon wieder fragte, „washastdugesagt?“

Das war also Ben Becker, der gern den Proleten und Zuhälter mimt. Der in Berlin eine Kneipe betreibt, in der seine Frau bei der Eröffnung herzeigen musste, dass sie bald werfen würde, und auf ihrem Blähbauch den Schriftzug „Made in Berlin“ spazieren trug.

„Washastdugesagt“, insistierte Becker und trat unangenehm nah an mich heran. Er wollte gefährlich wirken, spielte aber so schlecht, dass noch der nette Sozialarbeiterliebling unter den kleinkriminellen Jugendlichen, die ich während meines Zivildienstes mit harter Hand betreuen musste, neben Ben Becker gewirkt hätte, als habe man Stallone, Van Damme und Schwarzenegger im Genlabor zusammengerührt. Was hatte ich gesagt? Schwerfällig durchforstete mein Gehirn die mit Alkohol gefluteten Dateiordner. Ich erinnerte mich lediglich daran, dass mein Freund darüber gesprochen hatte, dass Mitleid mit der Mehrheit unangebracht, wahres Glück hingegen trotz erschwerter Umstände möglich sei. „Washastdugesagt?“ Der Schausteller wurde jetzt unangenehm. Schon sah ich die B.Z.-Schlagzeile „Ben Becker Blut Beerdigung“ und suchte nach Worten für den Nachruf. Hackescher Markt statt Hollywood. Stümper statt Star, deutscher Film und deutsche Leberwurst, Marke: grob beleidigt und gelverschmiert. Und plötzlich fiel es mir wieder ein: „Was ihr macht, ist Scheiße, habe ich gesagt“, sagte ich. „Wer ist ‚ihr‘ “, wollte Becker wissen. „Til Schweiger, Katja Riemann und du“, sagte ich, „was ihr macht, ist stumpfsinniger, langweiliger Dreck.“ Becker stand nun schon drei Minuten zwei Zentimeter von meinem Körper entfernt in meiner Privatsphäre herum und fixierte mich mit Basiliskenblick. „Ich glaube, wir müssen rausgehen“, trompetete er. „Also die Jugendzentrum-Nummer“, dachte ich und katapultierte mich in den pubertären Bewusstseinszustand meiner ehemaligen betreuungsbedürftigen Kleinkriminellen hinein. Ich begann, wie eine Echse zu starren und knurrte: „Du wirst verlieren. Was du machst, ist Scheiße, deine Filme, alles.“ Und weil er immer noch nicht genug hatte, gab es in meinem grottenschlechten Bauerntheater noch eine Zugabe, die es mir endlich ermöglichen sollte, in Ruhe weiter zu trinken. „Ich seh vielleicht harmlos aus“, sagte ich gefährlich leise, „aber das täuscht.“ Und siehe da: Ben Becker drehte sich mit einem „Du bist bestimmt aus Babelsberg“ um und ging weg. Waaas? Babelsberg? Hä? Hast du eben Babelsberg gesagt? Kommher, gehmaraus! Washastdugesagt?

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