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Archiv-Artikel

tote tiere sind gute tiere von RALF SOTSCHECK

Tiere sind dem Briten ein Ärgernis, weil sie die liebevoll gepflegten Vorgärten nicht respektieren. Im walisischen Snowdonia leben seit der Eiszeit wilde Ziegen. Weil sie in letzter Zeit hin und wieder von den Bergen in die Täler kommen und Zierblumen anknabbern, haben die Behörden heimlich begonnen, sie abzuschießen. Die Ziegen der Rasse „britische Primitive“ – ein Name, der besser auf die Beamten passt – sind im Gegensatz zu den Londoner Füchsen nicht geschützt: Jeder, der ein Gewehr hat, darf auf sie ballern.

Anderen Tieren geht es auch nicht besser. In Schottland werden Hirsche massakriert, weil sie sich nicht an die Verkehrsregeln halten, auf der Insel Uist hat man 500 Igel getötet, weil sie die Bauern stören, in ganz Britannien müssen Dachse dran glauben, weil sie angeblich Tuberkulose auf Kühe übertragen. Und in England haben sie Krähen, Elstern und Möwen als Ungeziefer eingestuft – ebenso wie die grauen Eichhörnchen, auf die massiv Jagd gemacht wird. Die schleichen sich deshalb nun bei Nacht über die Grenze nach Schottland. Dort sind sie aber auch nicht sicher. Weil sie die Pocken haben, gefährden sie den Bestand der noch verbliebenen 120.000 roten Eichhörnchen in Schottland. So hat man dort eine Freiwilligenarmee, bestehend aus zwei Rangers, aufgestellt, die die grauen Eindringlinge aus dem grauen England abknallen sollen.

Eichhörnchen haben keine Chance, von der Insel zu entkommen, aber Vögel müssen närrisch sein, freiwillig in Großbritannien zu bleiben. Für die seltene Rötelschwalbe, die vom Mittelmeer eigentlich zum Überwintern nach Afrika wollte, hatte ein Navigationsfehler tödliche Folgen. Der Vogel ist irgendwo falsch abgebogen und landete an der Lunan Bay in Schottland. Dort ruhte er sich auf dem Dach eines Bauernhofs aus und wunderte sich vermutlich über das komische Klima – sehr zur Freude von Vogelenthusiasten, die sich mit Ferngläsern um das Gebäude geschart hatten, um den ungewöhnlichen Besucher zu beobachten. Stattdessen mussten sie live miterleben, wie ein einheimischer Sperber sich auf den raren Vogel stürzte und ihn verspeiste.

Warum sollte ein Raubvogel auch mehr Rücksicht nehmen als die Schotten selbst? Die haben neulich eine Berühmtheit aufgefressen: Crusty, der gigantische Hummer, war bekannt wie ein bunter Hund, weil er mehr als 60 Zentimeter lang war und zehn Pfund wog – das Fünffache eines Durchschnitthummers. Es nützte ihm aber nichts. Das Mansefield Hotel in Elgin, deren Fischfangflotte das Tier ins Netz gegangen war, steckte Crusty in einen großen Topf und kochte ihn. Der Hotelbesitzer Ross Murray sagte, man habe vier Gäste mit dem Monsterkrustentier satt bekommen. Trotz des hohen Alters – Crusty war mindestens 20, vielleicht sogar 50 Jahre alt – sei die Mahlzeit ein Genuss gewesen. Die sterblichen Überreste sollen nun im Speisesaal ausgestellt werden.

Diese Taktik könnte man landesweit anwenden: Ausgestopfte Ziegen, Dachse, Eichhörnchen und Igel richten keinen Schaden an der Umwelt an. Und wenn man schon mal dabei ist, könnte man die Briten, die mehr Umweltschäden als alle Tiere zusammen anrichten, doch einfach ebenfalls ausstopfen.