tod auf djerba: Vertuschen macht angreifbar
Die tunesische Regierung rühmt sich, den islamistischen Terrorismus besiegt zu haben. Dazu agiert sie mit knallharter Repression – mit Polizeigewalt, Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit. Zuerst wurden die Islamisten verboten, dann kamen bürgerliche und sozialistische Parteien an die Reihe. So wurde im Namen der Befriedung eine demokratische Zivilgesellschaft im Keim erstickt.
Kommentarvon KATRIN BALAOUI
Die Ereignisse auf Djerba lassen die tunesische Regierung nun nicht nur um ihr Image und die Touristenströme bangen. Sollte sich bewahrheiten, dass ihre Unfallversion eine Lügengeschichte war, so zeigt dies die Schwäche eines Regimes, das glaubt, mit Repression alles unter Kontrolle halten zu können. Dieser Kontrollverlust macht die Regierung angreifbar. Und die Unzufriedenheit mit der politischen Situation im Lande ist groß, auch wenn Tunesien im Vergleich zu seinen maghrebinischen Nachbarländern wirtschaftlich gut abschneidet.
Tunesien gibt sich modern: Man macht in Umwelt, Frauenemanzipation und Bildung. Als wirtschaftlicher Musterknabe des Maghreb preist sich das Land Europa an und lockt nicht nur europäische Reiseveranstalter an seine schönen Sandstrände. Die europäischen Regierungen sind dankbar, unter den desolaten Regimen der Maghrebstaaten ein willigen, westlich orientierten Partner zu haben, der sogar die Gleichberechtigung der Frau gesetzlich verankert hat.
Tatsächlich wird das Spagat zwischen ökonomischer Öffnung und politischer Repression immer schwieriger. Für ausländische Investoren ist das korrupte Regime von Präsident Ben Ali schwer tragbar. Auch ökonomische Entwicklung braucht politische Transparenz. Das zeigt am deutlichsten der Tourismus. Was nützt das folkloristische Spiel von Toleranz und friedlichem Nebeneinander, wenn gleichzeitig eine Bombe hochgeht?
Urlauber haben das Recht zu wissen, wie es in einem Land wirklich zugeht. Und Reiseveranstalter die Pflicht zur Aufklärung. Sonst wird auch der gepflegte Strandurlaub im Luxusresort mit organisiertem Ausflug zu den Sehenswürdigkeiten zur Survival-Reise. Natürlich konnte niemand wissen, das die altehrwürdige, rundum bewachte Synagoge La Ghriba zur Todesfalle für elf deutsche Touristen werden würde. Aber die jetzigen Vertuschungsversuche zeigen der Weltöffentlichkeit, dass die Politik der tunesischen Regierung so verlogen ist wie ihr Bekenntnis zur Demokratie.
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