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themenläden und andere clubsWas Hamburg von Berlin unterscheidet . . .

. . . und den Sparmarkt vom Spar

„In Hamburg sagt man Tschü-hüß! Dann meint man Auf Wiedersehn . . .“ Aber es gibt noch mehr Wahrheit über Hamburg. Zum Beispiel haben die HamburgerInnen interessante Aufsteh-Gewohnheiten: Sie können morgens nur zu geraden Uhrzeiten aufstehen. Das behauptet jedenfalls eine mir sehr lieb gewordene Hamburgerin, die mir schon des öfteren in ihrer gemütlichen, lütten, reetbedeckten Kajüte mit Seeblick Obdach gewährt hat (es ist natürlich eine Wohnung in St. Pauli).

Auf Hamburg-Besuch trinke ich gewohnheitsmäßig abends ein paar Saure oder steife Grogs, stolpere über die schwankende Reeperbahn nach Hause und schlafe mich aus. Aber die Deern schläft immer länger. Warum: Weil sie „noch nicht aufstehen konnte“, denn ihr „Digital-Wecker hatte eine ungerade Zahl angezeigt.“ Etwa 12:47 Uhr. Oder 13:19 Uhr. Oder 9:59 Uhr. Sie fühle sich geradezu körperlich unwohl, behauptet das Schlafmonster, wenn sie nicht warte, bis der Wecker auf eine Zeit wie 13:40 Uhr umschlage oder 10:20 Uhr.

Ich habe ihr einen hübschen analogen Wecker geschenkt, mit einer kleinen, kaum sichtbaren Biene als Sekundenzeiger. Sein Klingeln würde allerdings eine ganze Kompanie wecken. „Den hör’ ich nicht“, behauptet das Nordlicht. Ich habe ihn immer gehört, sogar unter Deck. Wenn meine immermüde Freundin aber verschläft und spät dran ist und mit panisch wirrem Blick auf den Wecker stiert, ist ihr das Gefasel um Gerade und Ungerade auf einmal egal. Dann kann sie sofort aus dem Bett springen, das Gesicht noch voller sympathischer Kissenfalten (jaja, ihr blutjungen Teenies, ihr Pickellobben, ihr Echt-Fans, in eurem Alter haben Bettstreifen nur Leute mit besonders zarter Haut, irgendwann später haben sie ALLE).

Früher, als meine Freunde und ich zu den Menschen gehörten, die allein frühmorgens ein paar zarte Knitterfältchen im Gesicht ihr Eigen nennen, ereignete sich folgende Geschichte: In der Hansestadt gab es damals eine mir noch unbekannte Kneipe namens „Spar“. Es gab aber auch die bekannte Supermarktkette „Spar“. Meine Hanseaten-Freundin erzählte mir also, sie habe einen gemeinsamen Bekannten im Spar getroffen. Ich dachte, sie meine den Sparmarkt. Er sei total besoffen gewesen. Ich dachte, na ja, passt zu ihm. Es sei so kurz vor sechs gewesen, kurz vor Schluss. Ich dachte, sie meinte den Ladenschluss. Der Bekannte sei vor dem Spar an einer Nachtbushaltestelle eingenickt, und als er wieder aufgewacht sei, habe sich eine klapprige, alte, ziemlich muffelnde Pennerin ganz dicht an ihn gekuschelt, wie an einen guten alten Saufkumpel. Da habe ich mich ein bisschen erschrocken und gefragt: Ist denn alles okay mit unserem Freund?

Wenn wir heute über unser kleines Missverständnis reden, der Freund, meine Freundin und ich, kichern wir immer noch wie ganz junge faltenlose Bravo-Hühner. JENNI ZYLKA

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