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Archiv-Artikel

theater 13 Hasen und die Lust an der Qual

Marquis de Sade war der Philosoph des Bösen. Er wurde von Ludwig XVI. eingekerkert, am 14. Juli 1789 aus der Bastille befreit, als „Konterrevolutionär“ wieder inhaftiert und zwei Jahrzehnte in der Irrenanstalt von Charenton verwahrt. Sylvano Bussottis bebilderte experimentelle Musik mit dem Titel „La passion selon Sade“ greift de Sades Exzesse nur musikalisch auf. David Hermann und Christoph Hetzer montieren das Stück des Italieners in der Bonner Kunsthalle mit Ausschnitten aus dem Singspiel „Bastian und Bastienne“ des 12-jährigen Mozart und sorgen so für handfeste Obszönitäten.

In drei Stufen erfolgt der Zugang. Ein Bauzaun umgibt die Zuschauertribüne; aus den Brettern sind 120 Bullaugen ausgesägt und durch diese kann erspäht werden, was aus Bussottis Noten erwächst. Auf die instrumentale Erkundung eines Klangraums folgt, inspiriert von einem traurigen Einsamkeitsgedicht der altfranzösischen Dichterin Louize Labé, eine aus dem Schrei kommende Stimmübung der Sopranistin Julia Henning. Sie verkörpert sowohl de Sades Justine und Juliette als auch Mozarts Bastienne. Die akustischen Ereignisse schließlich verbinden sich zu musikalischen Momenten der Lust und Qual.

Nach dem Auftakt geht‘s in vier Käfige. Die setzen sich wie U-Bahn-Waggons in Bewegung. Wenn sie zusammenfahren und zum Stillstand kommen, dann deutet – zu Mozarts Arien aus der Konserve – eine Pantomime von Bastienne, Bastian und dem intrigant-geilen Philosophen Colar an, wie grausam Liebe und Liebesschmerzen sein können. Es wird geblutet, gekotzt, gefickt und gewichst. Doch das dicke Glas über den Köpfen des Auditoriums, das zum „obszönen Blick“ unter Rock und Laken postiert wurde, hält die Exkremente ab.

So davongekommen, werden die Zuschauer auf ihre Tribüne entlassen und können von dort den 13 „Bunnys“ zuschauen, wie sie sitzen und der Sopranistin zusetzen. Kommt sie zu Tode? Oder nur durch perverse Lust zu betäubendem Schmerz? Die Oboe stöhnt. Die Hasen verpissen sich. Vielleicht, weil bald Ostern und damit die Passion bekanntlich erst einmal wieder vorüber ist.

Frieder Reininghaus

„La Passion selon Sade“: am 27., 28., 31.3., 2. und 3.4., jeweils 20 Uhr, Bundeskunsthalle Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4, Tel 0228/91 71-0