theater : Abstecher in die spannende Kulturgeschichte des schwarzen Getränks
Dass Menschenrechte und Umweltschutz nicht als getrennte, sondern als sich notwendig ergänzende und durchdringende Sphären betrachtet werden müssen, setzt sich im politischen und gesellschaftlichen Bewusstsein erst zögerlich durch. In Aachen etwa läuft seit März an mehreren Grundschulen „Utropia“, ein Bildungsprojekt für Umwelt und Entwicklung, initiiert vom NABU Aachen und dem Aachener Weltladen.
In Schulgärten werden gemeinsam mit den Schülern alte einheimische und exotische Gemüsesorten nach biologischen Prinzipien angebaut, Referenten aus Kolumbien, Honduras, Chile, Togo, Indien und Südafrika erzählen den Kindern vom Lebens- und Arbeitsalltag in ihren Ländern. Nach Monaten voller Umgraben, Säen, Jäten und Ernten gönnen sich die „Utropianer“ jetzt eine Kulturwoche: In dieser Woche ist das Theaterduo „Teatro Vivo“ aus Guatemala in Aachen zu Gast. Am Montag hatte ihr Stück „Ay Ay Ay Café“ Premiere an der Schule am Kennedypark im Ostviertel.
Die Bühne gleicht einem mit Kaffeesäcken voll gestellten Lager. Dort verwandelt sich die Schauspielerin Carmen Samayoa in eine sprechende Kaffeebohne, nimmt die Kinder mit auf einen Abstecher in die spannende Kulturgeschichte des Getränks. Edgar Flores begleitet sie musikalisch und spielt die Rolle des namenlosen Lagerarbeiters.
Die Kaffeebohne will nicht nach Hamburg oder Amsterdam verschifft werden. Dort steht ihr Furchtbares bevor, das weiß sie genau: „Sie werden mich rösten, mit heißem Wasser übergießen und trinken. Was für ein Schicksal!“ Mythen und Wahrheit wechseln sich ab, die Zuschauer entdecken zusammen mit einem Hirten den Grund für die Schlaflosigkeit seiner Ziegen und damit die Wirkung des Kaffees. In einer düsteren Vision beschreibt die kleine Bohne die Realität auf vielen Plantagen Lateinamerikas: „Ich habe geträumt, dass die Pflücker um höheren Lohn gebeten haben und einen Streik begannen. Dass die Armee sie umstellte, und als sie anlegten, um zu schießen, bin ich aufgewacht.“
1977 gründete sich Teatro Vivo als sozial engagiertes Theater in Guatemala, ohne großes Haus, ohne teures Equipment, ein Theater, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt. „Wir waren damals noch nicht einmal sehr radikal, doch was wir machten, reichte schon“, erinnert sich Carmen Samayoa. „Wären wir geblieben, hätten sie uns getötet.“
1980 flüchteten die beiden Schauspieler vor der Diktatur ins Exil nach Frankreich und beschlossen, weiter Theater zu spielen, um auf die Lage in ihrem Heimatland aufmerksam zu machen. Seit Jahren schon gastiert das Duo auf Theaterfestivals in ganz Europa und wird vor allem im Rahmen von Projekten der Eine-Welt-Bewegung eingeladen. Kulturarbeit begreift Carmen Samayoa als wichtigen Bestandteil solcher Projekte. „Unser Theater kann die Menschen hier für gesellschaftspolitische Themen sensibilisieren, und das ist genau so wichtig wie technische und medizinische Hilfe.“ ANNA STERN
„Ay Ay Ay Café“ von „Teatro Vivo“ aus Guatemala, heute um 20 Uhr, Schule am Kennedypark, Aachen, 5 (3) Euro