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Archiv-Artikel

thailand, zensur etc. Viel Schwarzfilm

Missbilligt im eigenen Land. Überall auf der Welt wird Apichatpong Weerasethakul („Blissfully Yours“, „Tropical Malady“) als einer talentiertesten Filmemacher der Gegenwart gefeiert. Auf internationalen Festivals werden seine Werke mit Preisen überhäuft. In seinem Heimatland Thailand aber darf sein jüngster Film „Syndromes and a Century“ (Sang sattawat), nach mehr als einem Jahr Streit mit staatlichen Behörden, lediglich in einer um 15 Minuten gekürzten Version aufgeführt werden.

Zur Vorgeschichte: Im September 2006 erlebte „Syndromes and a Century“ auf den Filmfestspielen von Venedig seine Uraufführung. Im April 2007 reichte Weerasethakul der Zensurbehörde in Bangkok eine Filmkopie zur Begutachtung ein. Was in Thailand in welcher Form in die Kinos kommen darf, bestimmt ein Gremium aus Repräsentanten der Polizei, der Ärzteschaft, der Buddhisten und des Kulturministeriums. Dessen Bescheid: Vier Szenen sollten aus dem Film entfernt werden – ein Gitarre spielender Mönch, zwei Mönche mit einem elektrischen Spielzeug, eine Gruppe whiskeytrinkender Ärzte und eine Liebesszene. Die Begründung: Verunglimpfung des Ansehens von Religion und Gesellschaft.

Der Regisseur lehnt es ab, die beanstandeten Szenen zu entfernen und willigt ein, dass der Film in Thailand nicht verliehen wird. Dennoch behält die Polizei die Filmkopie ein und weigert sich auch nach wiederholten Anfragen, sie wieder auszuhändigen. Internationale Medien berichten über den Fall, der besondere Brisanz dadurch gewinnt, dass das Parlament zur selben Zeit über die Gestaltung des neuen Filmgesetzes diskutiert, das im Dezember 2007 die alte Regelung aus dem Jahr 1930 außer Kraft setzen soll. Die Kampagne „Free Thai Cinema Movement“, die Weerasethakul und andere ins Leben rufen, fordert das Parlament auf, die Institutionen der Filmzensur aus der Novelle zu streichen. Sie haben keinen Erfolg damit.

Im März 2008 erhofft sich Weerasethakul von einer erneuten Prüfung seines Filmes ein günstigeres Urteil. Stattdessen werden zwei weitere Einstellungen kritisiert, in denen Statuen der königlichen Familie zu sehen sind. Um eine Freigabe zu erhalten, willigt der Regisseur schließlich ein, dass die Szenen mit der Schere aus der Kopie entfernt werden. Für den Verleih dieser einzigen in Thailand offiziell genehmigten Version hat er die Kürzungen in ihrer kompletten Dauer durch stummen Schwarzfilm ersetzt – damit das derart minutenlang im Dunkeln sitzende Publikum genügend Bedenkzeit hat, über die nicht nur kulturelle Misere im eigenen Land Klarheit zu gewinnen.

DIETMAR KAMMERER