taz.berlin-Adventskalender (20): Alles grau?

Durch die Tristesse des Berliner Winters blickt eine Hundschnauze mit ungewohntem Elan. Und alles wird anders.

Und spring! Foto: dpa

Vorweihnachtshektik, unter coronabedingten Masken noch anonymer, Begegnungen finden in Eile und mit Sicherheitsabstand statt. Und dann öffnet sich plötzlich doch manchmal eine Tür: eine freundliche Geste, eine Hilfeleistung, ein Gespräch. Die taz.berlin berichtet in ihrem Adventskalender 2021 von solchen Türchen, die die Anonymität einen Moment vergessen lassen.

Der kalten Jahres- und Adventszeit zum Trotz,setze ich mich in der Mittagspause auf eine Parkbank. Natürlich mache ich schnell die Kopfhörer mit „Noise Cancelling“-Funktion an, damit ich bloß nichts von meiner Umwelt mitbekomme.

Dramatisch, wie ich bin, höre ich den Song „Alles grau“ von der meist etwas melancholisch gestimmten Band Isolation Berlin.

„Alles grau, alles grau in grau – Alles kalt, alles kalt, kalt, kalt“, dröhnt es in meine Ohren hinein. Meine Aussicht könnte dazu nicht besser passen: Überreste einer Parkwiese, kahle Bäume und dahinter monumentale Betonklötze vor grauem Himmel.

Die Kälte beißt sich durch meine Thermounterwäsche, und das Brötchen in meiner Hand schmeckt trocken. „Das ist also der berüchtigte Zauber der Adventszeit“, denke ich mir. Mein Kopf ist gen Himmel gerichtet auf der Suche nach ein bisschen Blau. Aber, wie gesagt, alles ist grau.

Als ich meinen Blick wieder senke, schaue ich plötzlich in zwei Hundeaugen. Ein Border Collie steht vor mir und blickt mich erwartungsvoll an. Ich nehme die Kopfhörer ab und höre jetzt erst sein aufgebrachtes Jaulen.

Vor meinen Füßen entdecke ich einen kleinen roten Ball. Ich werfe ihn über die Parkwiese, und der Collie läuft begeistert hinterher. Er ist binnen wenigen Sekunden zurück, und wir machen das gleiche Spiel noch mal.

„Jetzt hat er ja wen zum Spielen gefunden“, sagt dann eine ältere Dame, die sich von der Seite angeschlichen haben muss. Sie steht mit leicht gekrümmtem Rücken da, schaut mich freundlich an und fügt hinzu: „Ich kann den Ball leider nicht so weit werfen.“

„Ich springe gerne ein“, antworte ich und werfe den Ball noch ein paarmal. Wir stehen noch einige Minuten da, ich werfe fleißig den Ball, und sie erzählt von ihrem Hund. Als dieser sich vor uns auf dem Rücken von links nach rechts rollt, müssen wir beide laut lachen.

Auf dem Rückweg schaue ich noch einmal hoch, und es ist kaum zu fassen: ein kleiner Sonnenstrahl bahnt sich seinen Weg durch die graue Masse. Das ist dann wohl der wirkliche Zauber der Adventszeit.

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