taz.berlin-Adventskalender 15: Würfelspiel mit tausend Namen
Im taz.berlin-Adventskalender präsentieren wir in diesem Jahr, passend zum Winter-Shutdown, schöne Spiele. Heute: Würfeln und Tschuuß!
Ein schönes Würfelspiel haben wir schon während des ersten Lockdowns kennengelernt. Kinder im Grundschulalter lieben es, weil sie damit ihre Rechenkünste beweisen können. Gleichzeitig schafft es das Spiel aufs Schönste, bei jedem die missgünstige, böse Seite zu wecken: Man möchte die Würfel schier verhexen, damit sie den anderen ins Unglück stürzen. Was für eine schöner Kontrast zu all der Sanftheit, die man sich inzwischen selbst auferlegt hat, um die wenigen sozialen Kontakte, die man hat, möglichst unfallfrei zu gestalten.
Ein alleinwohnender Freund, dem wir um Ostern zeitweise Asyl boten, damit er nicht allzu sehr vereinsamt, revanchierte sich mit einem Spiel, für das er keinen rechten Namen wusste. Als „Arschloch“ sei es ihm vorgestellt worden, aber das gefalle ihm nicht. Wir haben es „Tschuuß“ genannt, und jeder, der es einmal gespielt hat, weiß warum.
Man hat sechs Würfel, zum Gewinnen braucht man 10.000 Punkte, es zählen aber nur die 1 (100 Punkte) und die 5 (50 Punkte). Die anderen Zahlen geben nur Punkte, wenn man auf einen Schlag drei würfelt; drei Mal die 2 ergibt 200 Punkte, drei Mal die 4 macht 400. Vier Gleiche in einem Wurf ergibt sogar den jeweiligen Tausender, etwa vier Mal die 5 wären 5.000 Punkte.
Man beginnt also zu würfeln, nach jedem Wurf muss man mindestens einen Würfel rausnehmen, aber man kann eben nur 1 und 5 rausnehmen oder einen „Dreier“ von den anderen Zahlen. Mindestens braucht man 350 Punkte, dann kann man sein Spiel in dieser Runde beenden und die Punktzahl aufschreiben lassen. Oder man würfelt weiter, um mehr Punkte zu sammeln. Der Haken ist nur: Sobald man einen Wurf ohne 1 oder 5 oder einen Dreier hat, sind alle bis dahin beiseite gelegten Würfelpunkte dahin und man bekommt einen Strich. An dieser Stelle stimmen die je nach Spielerernst Mit- oder Gegenspieler – zumindest bei uns zu Hause – verlässlich in ein hämisches und lang gezogenes „Tschuuuß!“ ein.
Gesetzt den Fall, man hat 350 Punkte oder mehr gesammelt, lässt die aufschreiben und hört auf, kann der nächste Spieler in der Reihe diesen Punktestand übernehmen. Er (oder sie) muss dann mit den übrigen Würfeln weitermachen, hat also eine geringere Chance, 1 oder 5 zu würfeln. Oft schafft man dies nicht – für die anderen eine prima Gelegenheit für ein gepflegtes „Tschuuß“. Schafft man es doch, sattelt man auf die Punkte der Vorgängers (der Vorgängerin) drauf. Sind alle sechs Würfel rausgelegt, muss man noch einmal mit allen einen Wurf machen, den Wurf sozusagen bestätigen, und mindestens noch eine 5 machen. Sonst „Tschuuß“ und Strich. Hat man drei Striche hintereinander, wird der ganze bisherige Punktestand gelöscht, man fängt wieder bei null an. Dieses sogenannte Doppeltschuuß sorgt bei uns immer für Heiterkeit. Also bei den anderen, die es nicht hatten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos