taz-olympiakrimi: im schatten der ringe: Kapitel 8: In dem entspannt geplaudert wird
Reviertrash
Was bisher geschah: Eine von IOC-Vizepräsident Dick Pound überreichte Streichholzschachtel, die sich im Besitz des ermorderten Samuel Kiwabaki, Bruder des ebenfalls ermordeten IOC-Mitgliedes Thomas Kiwabaki, befand, liefert Ermittler Wayne Bruce eine heiße Spur.
Als Wayne Bruce im Revier ankam, war Kriminalassistentin Catherine Wade bei ihrem neuen Lieblingsthema: Beachvolleyball. „Wahnsinnsstimmung“, erklärte sie dem genervten Olympiafeind, Inspektor David Persini. „Lauter Brasilianer, die trommeln wie die Bekloppten und ‚Rock Around The Clock‘ auf der Posaune spielen. Und ein ganz fetter dabei, der eine blonde Perücke aufhat und tanzt wie Nurejew. Und nebendran rauscht das Meer, man kann die Surfer sehen, die Sonne scheint, tolle Matches. Da war zum Beispiel dieser schmucke Amerikaner ...“ – „Na, das werden die Bewohner von Bondi Beach sicher zu schätzen wissen“, unterbrach Bruce. „Diese Spielverderber“, schimpfte Wade, „anstatt froh zu sein, ein Mittelpunkt zu sein, demonstrieren sie wochenlang gegen die Entweihung ihres heiligen Strandes. Hat sich aber seit Olympiabeginn keiner mehr gemuckst. Sitzen wahrscheinlich alle selbst auf der Tribüne, diese verdammten Plonkies.“
„Kennen Sie dieses Restaurant“, wechselte Bruce das Thema, bevor sie noch weitere Kraftausdrücke aus dem Wortschatz ihres Gatten hervorkramen konnte und gab ihr die Streichholzschachtel. „Le Kilimanjaro, afrikanisch, ist in Newtown, da gibt’s ein Soussou-Soussou, da schmeißen sie sich weg.“ – „Soussou-Soussou, so so. Okay, da gehen wir beide heute auf Staatskosten essen“, sagte der Hauptkommissar und verließ schnell den Raum, bevor sie ihm vor Begeisterung um den Hals fallen konnte. Ihr Ehemann Pat wäre weniger begeistert, wusste Bruce, der musste dann nämlich seinen Billardabend ausfallen lassen und auf die Kinder aufpassen.
Die Atmosphäre im Revier war seltsam entspannt, was vor allem daran lag, dass seit Beginn der Spiele die Kriminalitätsrate in Sydney um 20 Prozent gefallen war. Vermutlich hatten die Ganoven alle Karten für Schießen. Die Belegschaft der Kriminalpolizei vertrieb sich ihre Zeit mit Fernsehen, dem Erzählen von Olympiaerlebnissen und dem „Doping-Game“, das kürzlich im Sydney Morning Herald gewesen war. Eine Art Mensch-ärgere-dich-nicht, bei dem man sich einen Athletentyp aussuchen musste, dann die entsprechenden verbotenen Mittel konsumieren, alle Kontrollen erfolgreich absolvieren, um schließlich beim Gold anzukommen. Unumschränkter Champion in diesem Spiel war Persini, der dabei fortwährend Anti-Olympia-Anekdoten und böse Gerüchte zum Besten gab. „Wusstet ihr schon, dass sie Ian Thorpe bei Interviews immer mit Spezialkameras filmen, damit sein Gesicht nicht so lang wirkt“ (Gerücht). „Habt Ihr gehört, dass das NOK der Schweiz seine überzähligen Tickets an Schwarzhändler verscherbelt hat? Da weiß man doch, wie dieses Land so reich geworden ist“ (Fakt).
Wayne Bruce betrat das Zimmer der Sekretärinnen, um Priscilla zu fragen, ob sie den Termin mit Kevan Gosper klargemacht hatte. Eisige Blicke. Tags zuvor hatte er sich hier zutiefst unbeliebt gemacht, als er erklärte, dass ihm die Eröffnungsfeier in Atlanta besser gefallen habe als die in Sydney. Er und Persini waren die Einzigen im Revier, die noch nicht die CD der Zeremonie besaßen, die binnen drei Tagen an die Spitze der Charts geschossen war. „Man muss doch nicht der ganzen Welt in die Ohren reiben, welch miserablen Musikgeschmack wir haben“, hatte er erklärt, „John Farnham und ‚Waltzing Matilda‘, ich bitte euch. Man hätte wenigstens Kylie Minogue einbauen sollen.“ Damit hatte er immerhin Priscilla versöhnt, die genauso aussah wie Kylie Minogue. Allerdings hatte Bruce gerade kürzlich in der Zeitung gelesen, dass jede Person in Sydney, die wie Kylie Minogue aussah, mit Sicherheit ein Mann war, es sei denn, es wäre Kylie selbst. Während Priscilla ihm den Zettel mit dem Termin für Gosper aushändigte, musterte er sie eingehend. Am besten, er fragte Catherine Wade. Die kam gerade hereingeschossen, brüllte „Fragen sie nicht“ und schob ihn raus.
MATTI LIESKE
Fortsetzung folgt
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