taz-berlin-Adventskalender (2): Es kommt anders, als man denkt
Grrrr, Corona! Zerschlägt die Ballpläne der Tochter. Aber was spricht denn gegen eine heimische Party?
Vorweihnachtshektik, unter coronabedingten Masken noch anonymer. Und dann öffnet sich plötzlich doch manchmal eine Tür: Eine freundliche Geste, eine Hilfeleistung, ein Gespräch findet statt. Die taz.berlin berichtet in ihrem Adventskalender 2021 von solchen Türchen, die die Anonymität einen Moment vergessen lassen.
Alles war vorbereitet. Das Ballkleid für die Tochter besorgt und umgeschneidert. Selbst einen Smoking ausgeliehen, um in James-Bond-Montur bei der Gattin Eindruck zu schinden. Und auch die Erinnerungen an eigene uralte Tanzkurse aufgefrischt. Alles war also bereit für den großen Moment, den Premierenball, mit dem die Tochter ihren ersten Tanzkurs abschließen sollte. Doch dann, nur fünf Stunden vor Beginn, der Smoking sollte gerade aus der Schutzhülle, der Anruf: Der Ball falle aus. Natürlich wegen Corona, man hatte Bedenken wegen der vielen Leute.
Hätten wir auch gehabt, wenn nicht 2G-plus gegolten hätte – ohne Test sollten auch Geimpfte und Genesene gar nicht reinkommen dürfen. Von der Teilnehmerzahl wäre alles im grünen Bereich gewesen. Selbst nach künftigen Verschärfungen sollen drinnen noch 250 Menschen zusammenkommen dürfen. Hatten Impfgegner Druck gemacht? In jedem Fall: Riesenenttäuschung – und Riesenärger über die Ungeimpften.
Eine Stunde Durch-den-Nieselregen-Frustlauf später die Trotzreaktion: Dann machen wir’s eben selbst! Das Wohnzimmer leer geräumt, Bier kalt gestellt und die Nachbarn samt Nachwuchs eingeladen – die hätten sonst beim Ball mit uns am Tisch gesessen. Rein ins Ballkleid und in den Smoking, Musik eingelegt. Und dann kam er: der erste Walzer mit der Tochter, zwar nicht übers schöne Tanzschulparkett, sondern auf dem abgeschrapptem Wohnzimmerboden, aber trotzdem wunderschön.
Mit diesem ersten Tanz war der Ärger weg, nach dem zweiten mit der Gattin die Stimmung so gut, dass selbst ein zufällig klingelnder Impfgegner im Zweifelsfall noch ein Bier abbekommen hätte – natürlich nicht ohne Bekehrungsversuch. Kurzum: Es wurde auch so ein rauschender Ballabend, vor allem mit den Nachbarn, die schon ein paar Jahre nicht mehr auf Besuch gewesen waren. Erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt: Uralt, der Spruch, und trotzdem weiter gültig. In echt soll das Ganze nun übrigens Ende Februar stattfinden – toi, toi, toi!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen