taz FUTURZWEI-Wahltagebuch #3: Armin rettet das All

Laschets CDU will den „nachfolgenden Generationen“ die „nachhaltige Nutzung“ des Weltraums ermöglichen. Megahammer!

Foto: Illustration: Björn Dermann

Von HARALD WELZER

Heute möchte ich der CDU zu ihrem Wahlprogramm gratulieren. Sie braucht zwar 139 Druckseiten, bloß um zu sagen, dass sie keinerlei Veränderung will und zwar nirgends und für niemanden, aber damit trifft sie genau die Stimmungslage eines Teils der Bevölkerung, die nach all den Lockdowns und damit verbundenen Veränderungszumutungen und dem ewigen Drängeln der Fridays for Future mal bitte einfach nur in Ruhe gelassen werden möchte. Es gibt einfach diesen mittigen Teil der Gesellschaft, für den echt alles okay ist und der definitiv niemanden wählen würde, der auch nur andeutet, dass die nächsten fünfzig Jahre andere Herausforderungen bereithalten als die letzten fünfzig. Also: 139 Seiten eine sanft perlende Permutation des einen Satzes „Wir wollen, dass Alles so bleibt, wie es ist und immer schon war, seit es uns gibt.“ Prost! „Wir stürmen nicht blind ins Morgen, sondern halten Maß und Mitte,“ alles, als wäre Helmut Kohl als Untoter wieder auferstanden und laufe wie ein riesiger Birnenzombie durchs Land. Echt?

Obacht, Leute! Das sieht nur so aus. Man ist schon ganz sanft beschwingt von all dem seriellen Abspielen sedierender Sätze, plong plong plong, da kommt plötzlich und unvermittelt der Burner: Weltraum! Auf Seite 87 kommt der Weltraum, der Orbit, das All, das unendliche Universum. Wie eine geheime Nachricht zwischen all den plong-plong-Sätzen, ohne jeden Zusammenhang, wie ein Kassiber aus dem Gefängnis der reinen Gegenwart.

Broch, krach, schepper, bäng: Hier, Seite 87, die Zukunft! "Wir werden uns auf internationaler Ebene für eine nachhaltige Nutzung des Weltraums einsetzen, um auch nächsten Generationen den Zugang zum All zu ermöglichen."

Science Fiction in der Parteienliteratur

International, nachhaltig, nächste Generationen, Zugang – alles drin. Voll mehr als bei den Grünen, da ist ja nur für Deutschland alles drin. Ein Satz wie ein Monument, und was für ein Gamechanger! „Nachhaltige Nutzung des Weltraums“ – das bedeutet doch, dass der Weltraum Grenzen hat, oder? Seit Carl von Carlowitz, der sächsische Oberberghauptmann, die Nachhaltigkeit deswegen erfunden hat, weil der Wald Grenzen des Aufwuchses hat, waren wir immer davon ausgegangen, Nachhaltigkeit brauchen wir, weil es Grenzen des Wachstums gibt. Da ist es doch extraradikal, Nachhaltigkeit auch auf die Nutzung des grenzenlosen Alls zu übertragen – ein Move, der Annalena Baerbock blitzartig uralt und gestrig dastehen lässt. Das Universum wächst nicht, es hat Grenzen!

Mir wird immer klarer, wie subversiv der Laschet ist. Kommt immer bodenständig daher, inszeniert seine Aura der Unaufgeregtheit des Immergleichen – jaja, keine Experimente, ruhig, Leute, ich mach schon, alles okay, hähä – und haut dann mit einem Ökoradikalismus rein, bei dem im Vergleich noch Extinction Rebellion total abstinkt. Und dann: Nicht nur heutigen Generationen, also Umweltsau-Oma und so, „den Zugang zum All ermöglichen“, sondern auch den „nächsten“. Wir lernen also: das komplette Parteiprogramm ist eine Camouflage, 139 Seiten, um das wahre Geheimnis zu verschleiern: die Union ist eine organisierte Tarnung für Ökoradikale, die nicht nur die Welt, sondern das komplette Universum und den ganzen Rest mit Nachhaltigkeit retten wollen. Den Plot kann sich nur einer wie Astro-Armin ausdenken, Master of the Universe, Herr der Welten, Captain Future.

Ich mag das.

HARALD WELZER ist Sozialpsychologe und Herausgeber von taz FUTURZWEI. Er schreibt im Wechsel mit Peter Unfried das Wahltagebuch.

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