taz-Aktion zur Klimarettung: Licht aus? Licht an!
Am Samstag soll für fünf Minuten das Licht ausgeschaltet werden, um dem Klima zu helfen. Wir möchten die Zeit besser nutzen - mit der Aktion "Licht an! Aber richtig".
Umweltorganisationen wie BUND, Greenpeace und WWF, der Fernsehsender Pro Sieben und Google rufen unter Schirmherrschaft der Bild-Zeitung dazu auf, an diesem Samstag für fünf Minuten das Licht auszuschalten. Das soll, wie die Veranstalter mitteilen, eine "eindringliche Mahnung" sein, das Klima zu retten, also die Klimaerwärmung in einem erträglichen Rahmen zu halten. Motto: "Licht aus, damit allen ein Licht aufgeht." Die taz findet: Das reicht nicht. Deshalb starten wir zusammen mit einigen Partnern die Aktion "Licht an! Aber richtig!" Hierfür wurde eine Homepage eingerichtet: www.wir-klimaretter.de/lichtan/ Warum tun wir das?
Die Aktion "Licht aus! Für unser Klima" soll ein Zeichen an die UN-Klimakonferenz auf Bali senden. Der Kölner Dom wird sich verdunkeln, Schloss Neuschwanstein auch. Verschiedene Städte und Gemeinden beteiligen sich auf die eine oder andere Art. Nach fünf Minuten wird das Licht wieder eingeschaltet.
Zur Halbzeit der Klima-Konferenz auf Bali soll es am Samstag, dem 8. Dezember, weltweit Aktionen geben. In Deutschland ruft die Klima-Allianz, ein Zusammenschluss von 40 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, zu zwei großen Demonstrationen auf. "Wir müssen Druck machen, damit die Politik jetzt konsequent handelt", heißt es im gemeinsamen Aufruf. Im Mittelpunkt der Kritik stehen die 25 neuen Kohlekraftwerke, die in Deutschland geplant sind, sowie das Einknicken der Regierung vor den Automobil- und Energiekonzernen. In Berlin zieht der Protestzug ab 14 Uhr vom Dom auf der Museumsinsel zum Brandenburger Tor. In Neurath bei Düsseldorf, wo derzeit das größte Braunkohlekraftwerk Europas entsteht, findet um 14 Uhr eine Kundgebung statt. In weiteren Städten sind kleinere Aktionen geplant. Für eine Übersicht und weitere Informationen: www.die-klima-allianz.de
Ist das albern? Einige finden: Ja. Stefan Niggemeier, Grimmepreis-gekrönter Blogger, hat in einem öffentlichen Brief an Greenpeace seine Mitgliedschaft gekündigt. "Unser Beitrag zum Energiesparen ist es, das dekadente Flutlicht für verdammte fünf Minuten auszuschalten, damit die sich in Bali überlegen, dass echt mal jemand was tun müsste, dass nicht das ganze unnütze CO2 rausgepustet wird." Es reiche "nicht einmal für ein symbolisches Bekenntnis, sagen wir, den Kölner Dom dauerhaft nur noch mit halb so viel Watt anzustrahlen wie bisher."
Was wird mit der Aktion tatsächlich an Kohlendioxid eingespart? Praktisch nichts. Dominik Seebach vom Öko-Institut sagt: "Wenn wirklich alle das Licht abschalten würden, täte dies der Stabilität unserer Netze keinen Gefallen. Und Energie spart man damit auch kaum. Die Kraftwerksbetreiber werden ihre Leistung nicht für fünf Minuten herunterfahren."
Andere sehen das Positive, Rendite in der Ökonomie der Aufmerksamkeit. "Für das Klima bringt das noch nicht viel", meint der Tübinger Oberbürgermeister und Umweltexperte Boris Palmer. "Aber wenn das Dunkel hier etwas Licht auf Bali wirft, dann ist es okay." In Tübingen werden Rathaus und Marktplatz verdunkelt und die Lampen ausgeschaltet, die sonst jahrein, jahraus die Neckarfront erleuchten.
Die taz findet es wichtig, wenn ein Bewusstsein für die Klima- und Energieproblematik in der gesamten Gesellschaft entsteht. Weil wir aber davon ausgehen, dass es Millionen Menschen in Deutschland gibt, deren Bewusstsein bereits etwas weiter ist, starten wir mit den Partnern Attac, NABU, Robin Wood, Grüne Liga, jetzt.de, campact.de und wir-klimaretter.de die Fortgeschrittenen-Aktion "Licht an! Aber richtig!"
Wir meinen: Schalten Sie am Samstag zwischen Acht und Fünf nach Acht das Licht aus oder lassen Sie das Licht an. Aber nutzen Sie in beiden Fällen die fünf Minuten, um folgendes zu erledigen:
Erstens: Optimieren Sie Ihre persönliche Energiebilanz! Schrauben Sie alte Stromfressbirnen heraus- und klimaschonende Energiesparlampen ein! Das erspart der Atmosphäre bei zehn ersetzten 100-Watt-Birnen jedes Jahr 335 Kilogramm CO2. Zweiter Schritt: Überarbeiten Sie Ihren kompletten Haushalt. Schauen Sie sich Ihre Strom und Heizungsrechnung an: Verbrauchen Sie 3.000 Kilowattstunden Strom, 15.000 Kilowattstunden Gas oder 2.000 Liter Öl? 50 Prozent weniger ist machbar (das reduziert auch die Rechnung um 50 Prozent). Der große Posten ist der Wärmebedarf. Sie brauchen professionelle Hilfe in Sachen Wärmedämmung, Solarwärme, Lüftung und Biomasse Heizung.
Zweitens: Bringen Sie die Energiewende voran! Wechseln Sie zu einem echten Ökostromanbieter! Es verringert Ihren jährlichen CO 2-Ausstoß um zwei Tonnen. Boykottieren Sie E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall, die den größten Teil ihres Stroms immer noch klimaschädlich erzeugen, z.B. in Kohlekraftwerken. Zweiter Schritt: Werden Sie Stromproduzent: Investieren Sie einen Betrag in Wind, Biogas, Solar oder andere erneuerbare Projekte und werden Sie selbst der schärftste Konkurrent von Kohle- und Atomstrom.
Drittens: Fordern Sie eine Politikwende! Beteiligen Sie sich an den Protesten der Klima-Allianz am 8. Dezember! Und schreiben Sie eine Mail an die Bundeskanzlerin Angela Merkel, in der Sie Klimaschutzpolitik fordern und nicht nur Worte. Gerade Merkel beobachtet sehr genau, ob die Gesellschaft tatsächlich jene Klimaschutzmaßnahmen verlangt, von denen sie gerne redet. Zweiter Schritt: Schreiben Sie an Ihren Landrat, die Mitglieder Ihres Kreistages oder an den Oberbürgermeister. Fordern Sie eine 100% Strategie Ihrer Stadt oder Region in Sachen erneuerbare Energien und Effizienz, damit jedes Kohlekraftwerksprojekt keine Chance hat.
Nur zur Sicherheit: Falls es Ihnen jetzt immer noch gehen sollte, wie jenem taz-Kollegen, der gestern irritiert fragte: "Ja, soll ich denn nun am Samstag das Licht ausschalten oder soll ich das Licht einschalten?" Keine Sorge: Ob Sie das Licht ausschalten oder nicht, ist nebensächlich. Schalten Sie nur bitte auf keinen Fall Ihr Hirn aus.
Formulare für den Stromanbieterwechsel, Tipps zu Energiesparlampen sowie eine Mailadresse von Kanzlerin Angela Merkel finden Sie in der rechten Spalte als externe Links.
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