taz-Adventskalender (9): Tor zum Elefantenhaus : Raus geht’s erst, wenn Leitkuh Lila Lust hat
Stehen Sie auf fade Schokotäfelchen? Wir auch nicht. Die Türen des taz-Adventskalenders verbergen anderes: geheime Schätze und wilde Tiere. Sex and Crime. Letzte Dinge. Bis Weihnachten öffnen wir täglich eine Tür – auf einem Kalender namens Berlin.
Erwartungsvolle Blicke der Zoobesucher empfangen die Elefanten des Tierparks Friedrichsfelde, wenn sich die elektrische Schiebetür in dem 2,5 Meter hohen felsbestückten Portal zum Freigehege öffnet. Nicht immer kommen die Dickhäuter pünktlich, das hängt vom Wetter ab und von der Laune der Leitkuh. Denn die Dame – Lila heißt sie – ist gelegentlich ein Morgenmuffel. Auch heute haut sie mit dem Rüssel gegen ihre Zellentür. „Wahrscheinlich stört sie der Tumult und dass es sich nicht um sie dreht“, vermutet Elefantenwärter Mario Hammerschmidt. Er macht seine morgendliche Runde, begrüßt jeden Elefanten und steckt ihnen Möhren und Äpfel durch die Gitterstäbe.
„Lila ist eifersüchtig“, erklärt er, „sie ist nicht umsonst Leitkuh.“ Dieser Status hänge nämlich nicht von Größe oder Kraft ab, „sondern davon, wie durchsetzungsfähig eine ist. Neben Mut und Intelligenz hat sie sich hauptsächlich durch ihr selbstbewusstes Auftreten etabliert.“
Hammerschmidt ist seit sechs Jahren Tierpfleger im Dickhäuterhaus, die Elefanten sind ihm vertraut wie seine Familie. Besonders stolz ist er auf die rekordverdächtige Fortpflanzungsrate in diesem Jahr. Mit 4 Schwangerschaften – eine in der afrikanischen und drei in der asiatischen Zuchtgruppe – und mit insgesamt 17 Elefanten „liegt unser Tierpark über dem europäischen Durchschnitt“.
Wieder klappert die Elefantenchefin an ihrer Zellentür, in stiller Übereinstimmung steckt Hammerschmidt ihr einen Snack zu. Lila gehört zu der afrikanischen Community im Tierpark Friedrichsfelde. Zusammen mit einem Bullen, zwei Kindern und fünf weiteren Kühen bewohnt sie einen Flügel des Dickhäuterhauses mit Austritt, Swimmingpool und Freizeitgeräten.
Nebenan wohnen „die Asiaten“, acht an der Zahl. Auch sie verfügen über ein eigenes Freigehege, Bassin, die Vollpension ist selbstverständlich inklusive. „Die essen den ganzen Tag, bis zu 100 Kilo pro Nase täglich“, erklärt Tierparksprecher Christian Matschei. Heuer gibt es als Beschäftigungsfutter Äste und Kürbisse.
Um die Elefanten nach draußen zu bringen, müssen sie durch zwei riesige Hydrauliktüren gelotst werden – immer auf der Hut, nirgendwo einen Rüssel oder andere Körperteile einzuklemmen. „Die Türen sind so gebaut, dass sie das Maximalgewicht eines Elefanten von 7,5 Tonnen locker aushalten“, erklärt Matschei. „Die Tiere haben vor ihnen sogar Respekt.“ Um die Tierpfleger vor ungewollten Begegnungen und bösen Quetschungen zu schützen, hängen im Flur Spiegel in den Ecken. „So können wir beim Schließen den toten Winkel einsehen“, sagt Pfleger Hammerschmidt.
Täglich einmal durch enge Gänge und Türen zum Freiluftbad und retour, dieser Weg gehört zur Routine. Jetzt im Winter muss Hammerschmidt besondere Umstände beachten: „Bei Glatteis streuen und sie nicht zu lange draußen lassen. Die Ohren sind ganz dünn und erfrieren schnell.“ ULRIKE LINZER
Morgen: Gittertor JVA Tegel