tarifpolitik : Im Stahlgezitter
Die IG Metall entlarvt die Halbwahrheiten der Berliner Politiker. Weil SPD-Bundesarbeitsminister Franz Müntefering einen seltsamen Feldzug für mehr ältere Beschäftigte führt, muss die Gewerkschaft tarifpolitisch gegensteuern.
Altersteilzeit, Frühverrentungen und vorruhestandsähnliche Regelungen gelten in der großen Koalition als Teufelszeug. Zudem wird das Rentenalter auf 67 angehoben. Mit einer Initiative „50plus“ sollen außerdem ältere Arbeitslose wieder in Lohn und Brot gebracht werden – trotz einer nur geringfügig sinkenden Massenarbeitslosigkeit. In den Masterplänen der Ministerien mag dies funktionieren, in der Realität vieler Betriebe eher nicht. Die Stahlbranche etwa ist überaltert. Die anstrengenden Tätigkeiten in den Hütten- und Walzwerken werden von älteren Belegschaften ausgeübt – die Branche befindet sich im Stahlgezitter.
KOMMENTAR VON MARTIN TEIGELER
Das Durchschnittsalter in der Stahlindustrie ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Mit 43,2 Jahren ist der durchschnittliche Stahlarbeiter drei Jahre älter als die Kollegen in der Gesamtwirtschaft. Der Anteil der über 50-Jährigen ist sogar zehn Prozentpunkte größer als sonst in der Industrie. 70 Prozent der Stahlwerker arbeiten teils in Nachtschichten sowie an Wochenenden und unter extrem belastenden Bedingungen. Es ist ein Skandal, wenn alte Männer sich kaputt schuften müssen, während 40.000 Jugendliche in NRW keine Lehrstelle bekommen.
Wenn sie die aktuelle Tarifrunde für einen Ausgleich zwischen den Generationen nutzt, liegt die IG Metall NRW deshalb richtig. Die Situation ist günstig: Angesichts sprudelnder Gewinne sind Spielräume vorhanden für Lohnerhöhungen und humanere Arbeitsbedingungen. Die IG Metall hat hier eine Vorbildfunktion. Denn auch Bauarbeiter, Altenpfleger und andere Schwermalocher müssen wohl demnächst reagieren auf den Alterswahn der großen Koalition.