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tamtürktür ... am van-see ist die hölle los! (II) von BJÖRN BLASCHKE

Kürzlich schilderte ich, wie ich im November 1999 zusammen mit einer bezaubernden Gefährtin in Ostanatolien an die Ufer des Van-Sees gelangte. Am Ende gestand ich, aus der Ferne voller Pathos auf das stark salzige Gewässer geblickt zu haben. Doch dieses Pathos verlor ich schnell, als wir an dem Busbahnhof unseres Zieles einrollten. Tatvan heißt der Ort, der sich auf immer und ewig in mein Gedächtnis einbrennen sollte …

Meine Gefährtin und ich beschlossen, uns zunächst eine Bleibe für die Nacht zu suchen, anschließend durch die Stadt zu bummeln und zum Schluss, wie es unser schlauer Reiseführer empfahl, dem tatvanesischen „Touristen-Informationsbüro“ einen Besuch abzustatten. Der erste Teil unseres Planes war leicht umzusetzen. Andere Reisende hatte es kaum nach Tatvan verschlagen, weshalb circa vier Fünftel aller dreieinviertel Hotels des Ortes nicht belegt waren. Lediglich in dem Gasthaus, das wir uns zur Herberge erkoren, logierten die Teilnehmer einer kleinen Tagung. Das zur Diskussion stehende Thema war nicht in Erfahrung zu bringen; einzig den Veranstaltungsslogan gab mir der Portier preis: Van-See-Konferenz.

Noch sinnierend, ob die Tagungsgäste vielleicht die Absatzchancen israelischen Starkbieres in den von Islamisten regierten türkischen Provinzen erörterten oder ob sie eher einen Schulungslehrgang für Heilfastenwanderungsleiter im Taurus-Gebirge absolvierten, erreichten wir auch schon eine Hauptstraße. Die Hauptstraße von Tatvan. Deshalb legten wir umgehend die Tatvan-Planteile zwei („Stadtbesichtigung“) und drei („Besuch des örtlichen Touristen-Informationsbüros“) zusammen. Erfolglos. Wir liefen die Hauptstraße auf und ab und ab und auf, sahen aber kein Gebäude mit dem Schild „Turist-Danisma“. Wie wir ohnehin kaum etwas sahen, weil es unterdessen ganz dunkel geworden war. Und „ganz dunkel“ heißt „ganz dunkel“. Heißt: Stromausfall. Zudem lag über der ganze Kleinstadt dichter, feuchter Novembernebel. Er verhinderte, dass der aufgestiegene Geruch billiger Holzkohle aus Tatvan abzog. Selbst der Vollmond, der über dem Van-See aufging, vermochte wenig Licht ins Dunkel zu bringen.

Dass wir mehr erkannten als Schemen und Schatten, verdanken wir den Geschäfts- und Restaurantbesitzern. Sie stellten Gaslampen auf, in deren milchigem Licht die Tatvanesen gemächlich ihre Bahnen zogen. Niemals – weder vor noch nach meinem Besuch in Tatvan – habe ich je so viele wahre Türken in einer Stadt gesehen. Ausnahmslos alle Männer trugen über Nadelstreifenanzügen lange, fußpilzbeige Mäntel. Ihre Füße stakten in verdreckten Tennissocken, die aus Schuhen mit heruntergetretenem Fersenleder ragten. Auf den Köpfen prangten dunkle Pudelmützen; in den Köpfen glänzende Goldzähne. Ihre Frauen hatten sie ins Feriencamp des Müttergenesungswerks von Antalya geschickt, jedenfalls waren in der Dunkelheit keine Tatvanesinnen aus- oder gar anzumachen.

Lesen Sie demnächst mehr an dieser Stelle über die Wesen vom Van-See.

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