piwik no script img

Archiv-Artikel

t-shirt, gefühle etc. Für und gegen Toleranz

Die Universität von Lublin hat eine Ausstellung provokanter T-Shirts untersagt. „Die Ausstellung und die Aufschriften auf den T-Shirts hätten die Gefühle und Überzeugungen zahlreicher Menschen verletzen können“, lautet die Begründung. Unter den Aufdrucken waren Aussprüche wie „Ich habe nach dem Tod des Papstes nicht geweint“, „Ich bin schwul“, „Ich bin ein Aids-Kranker“, „Ich bin Jude“, „Ich bin Araber“, „Ich onaniere“ und „Ich habe meine Tage“. Eigentlich doch ganz banale Aussagen, möchte man meinen. Kein Fingerzeig auf die anderen, kein Scherz auf Kosten von Minderheiten, sondern Selbstbezichtigung. Doch das Hinterfragen und Problematisieren auch nur der eigenen Position ist in einem Land, das eine säkulare, aufgeklärte Gesellschaft nicht wünscht, weiterhin ein eklatanter Tabubruch.

Auch die „Gleichberechtigungsparade“, die am 11. Juni 2005 in Warschau stattfinden sollte, organisiert von den drei größten polnischen schwul-lesbischen Organisationen, wurde seinerzeit vom Bürgermeister der Stadt, Lech Kaczyński von der Partei für Recht und Gerechtigkeit verboten. Es war eine Demonstration, die zudem ein Zeichen gegen Diskriminierung von Minderheiten und gegen Ausländerfeindlichkeit setzen wollte. Damals hatten die Veranstalter bereits im Vorfeld zusagen müssen, nicht an Kirchen, kirchlichen Symbolen und nationalen Denkmälern vorbeizulaufen. Trotz dieser Zusagen wurde die Demonstration zwei Stunden vorher von Bürgermeister Lech Kaczyński mit folgenden Worten verboten: „Ich bin Befürworter der Toleranz, aber Gegner der Unterstützung schwul orientierten Verhaltens.“ Das muss ihm erst mal einer nachmachen. Wobei: Für deutsche Konservative, die nach Jahren des Kampfes für die heilige Ehe und gegen ihre Bedrohung durch ein lesbisch-schwules Gleichstellungsgesetz nun plötzlich die Homophobie in der so genannten muslimischen Einwanderergesellschaft entdeckt haben, ist das ein Leichtes. So ist man Befürworter der Toleranz, aber keinesfalls ihr Unterstützer. Wie schön. Im Fall des Lubliner Bischofs Józef Życiński, der meint, wer T-Shirts mit Aufdrucken wie „Ich bin ein Aids-Kranker“ herstelle, müsse „jedes menschliche Gefühl verloren haben“. WOLFGANG MÜLLER