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szene

VonGabriele Frydrych

Der bullige Mann steht beim Kühlregal mitten im Weg und brummelt auf Russisch: „Jaja, ich schau mal!“ Er dreht das ein oder andere Joghurt in der Hand und fragt am Handy nach, bevor er es in den Wagen legt. Eine energische Frauenstimme gibt ihm Dienstanweisungen. Anscheinend hat er den richtigen Quark noch nicht erwischt. Er irrt herum, die Frau am anderen Ende schimpft: „Das kann doch nicht so schwer sein!“ Ich würde gern damit angeben, dass ich ein bisschen Russisch kann: „Aha, der arme Mann muss einkaufen.“ Lieber nicht, ich kann den Humor des kahl rasierten Herrn nicht einschätzen. Ich würde gern noch ein wenig lauschen. Ehestreitigkeiten (anderer Leute!) im Supermarkt sind immer amüsant. Und vielleicht lerne ich noch ein paar russische Schimpfwörter/Injurien. Aber ich biege links ab zu den Müslis und Nüssen. An der Fleischtheke treffe ich den telefonierenden Mann wieder. Er fotografiert die Schnitzel, Steaks und Schulterstücke samt Preisschild und wartet auf die Wünsche seiner Partnerin. Die Leute hinter ihm warten auch, bis er weiß, was er kaufen soll. Danach wird er zum Schokoladenregal und zum Wein geschickt. An der Kasse legt er das Handy weg und lädt seine Beute grimmig ab. Sofort klingelt das Telefon erneut. Anscheinend hat er das Klopapier vergessen.

Das nächste Mal jage ich meinen Mann auch per Handy durch die Gänge und trage ihm auf, alles zu fotografieren, bevor er es bezahlt. Er bringt ja gern mal was Falsches mit. Chinakohl statt Weißkohl, Wirsing statt Brokkoli, vorgekochten Reis zum Aufwärmen statt Vollkornreis. Und er gibt vor, gängige Dinge nicht gefunden zu haben: Weichspüler oder Apfelsaft. Stattdessen findet er Sachen, die gar nicht auf dem Einkaufszettel standen. Speck, Grappa oder gebrannte Mandeln. Aber damit ist jetzt Schluss!Gabriele Frydrych

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