strübel & passig: Felgenklarlack sucht Catwoman
Im Internet sind erst mal alle gleich. Sonst nur mäßig beliebte Randgruppen wie Schnauzbartträger, Schnepfen und Sechzehnjährige können sich unauffällig unters Volk mischen. Glauben sie. Dabei ist es keinesfalls so, dass der Mangel an sichtbaren Schnauzern eine ostzonenhafte Gleichgültigkeit gegenüber allem Äußerlichen mit sich bringt. Die paar Anhaltspunkte, aus denen sich ablesen lässt, ob es sich beim Netzmitmenschen um Freund oder Feind, Depp oder Diskussionspartner handelt, werden halt gründlicher ausgewertet.
Während wir im richtigen Leben zwar geneigt sind, Wiebke und Doris für einfältige Topflappenhäklerinnen zu halten, letztendlich aber wissen, dass die Eltern schuld sind, gibt es im Internet keine Entschuldigung für entstellende Namen – schließlich ist das Schicksal ein selbst gewähltes. Namen sind Statussymbole, und wenn man auch im Netz nicht mit Asischüssel und Goldkettchen vorfahren kann, so hindert einen doch leider nichts daran, sich ersatzhalber „BlackRider“ oder „MadEagle“ zu nennen. Früher, als das Internet so dünn besiedelt war wie der Wilde Westen, trugen die Hacker alter Schule noch heroische Namen wie „Cheshire Catalyst“, „Captain Crunch“ und „Phiber Optik“. Namen, mit denen man sich dereinst in Walhall neben Erik dem Roten und Iwan dem Schrecklichen nicht zu verstecken brauchte.
Heute haben wir den von AOL und Compuserve gepushten „Webnamen“, zu dessen Wahl AOL mir hilfsbereit Vorschläge wie „KatPssg“ und „KthrnP5“ macht. Ich kann KthrnP1 bis 4 nicht gerade zu ihrer Namenswahl beglückwünschen, aber was soll's, mit einer AOL-Adresse wird man sowieso nirgendwo ernst genommen. Namen, die Zahlen enthalten, sind allgemein eine Domäne der Einfallslosen: Jumbo137, Caveman86, Paule9999 stellen das Äquivalent zur von Muttern eingekauften TU-Studenten-Bekleidung dar. Das ist wenig unpraktischer, als Ralph28 an jedem Geburtstag den Namen an den Säumen auslassen zu müssen. Ebenfalls von einem klinischen Mangel an Fantasie zeugen „irgendweranders“, „nobody“ und „asdf“ in all ihren Variationen. Und mit einem bei Tolkien, Douglas Adams, Terry Pratchett oder „Star Wars“ entliehenen Namen kann man sich auch gleich als sechzehnjährige Pickelfresse outen.
Nette Männer in gemusterten Pullovern fühlen sich merkwürdig oft dem Dämonischen verbunden, stehen als Abraxas, Asmodeus und Azrael düster dreinblickend im Netz herum und neigen dazu, in ihren Mailsignaturen Lovecraft zu zitieren. Und für Hausfrauen stehen gleich drei geschmackvolle Kategorien zur Wahl: Namen, die auf Katzen anspielen (Catwoman, Tigerin, Bastet), Namen auf „-fee“ (Sonnenfee, Waldfee, Zauberfee) und die ein erzbraves Wesen mit Staubsaugfetisch signalisierenden „Powerfrau“, „Hexe“ und „Bitch“.
Sympathisch durchschaubar sind Namen, die Rückschlüsse auf ihre Entstehungssituation zulassen: Während einer Anmeldeprozedur schweift der Blick über den Schreibtisch, und Namen wie „Currywurst“, „Felgenklarlack“ und „Timex Waterproof“ sind die Folge. Gespräche über den Freundeskreis hören sich bald an wie Handelsabsprachen paranoider Dealer. Aber am allerbesten sind natürlich Namen, deren naturgegebene Coolness jedes Pseudonym überflüssig macht. Ich wäre auch gern mal Lutz Donnerhacke. KATHRIN PASSIG
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